Gerade kamen fünf junge Hirsche an meinem Haus vorbei. Die Kerle wollten wahrscheinlich die jungen Triebe an meinen vor wenigen Jahren gepflanzten Pflanzen fressen aber ich hatte ihnen einen Strich durch die Rechnung gemacht. Unserer Land hat viel totes Buschwerk dass wir seit Jahren lichten um uns vor Waldbränden zu schützen. Die stachligen abgestorbenen und unhandlichen Bitterbüsche eignen sich hervorragend dazu einen Zaun zu bauen. Selbst Hirsche mögen es nicht gestochen zu werden. Die Jungs haben in diesem Mai genug Futter denn selbst hier in der Hochwüste von Oregon regnet es oft im Mai und die Landschaft zeigt sich in frischem Grün. Für uns ist es immer eine Wohltat wenn es regnet denn in den Sommer Monaten kann es monatelang trocken sein. Im Durchschnitt fallen hier nur gerade 30 Zentimeter Regen im Jahr.
Wir haben uns gut daran gewohnt Zuhause zu sein und noch gab es keinen Familienzwist. Unsere Fotoreisen und Workshops liegen auf Eis und wir haben erst im September wieder eine Reise geplant. Ob das geht wissen wir noch nicht. Ich trinke meinen Cappuccino während die Hirsche draußen an den wildenwachsenden Büschen nibbeln. Viele Bitterbüsche sind von gelben Blüten übersät und das Gras ist satt und grün. Die Weibchen kommen dann in dieser Jahreszeit separat hier vorbei. Manchmal haben wir bis zu 30- Stück auf dem Land.
Es ist ruhig geworden in Bend, Oregon. Zuerst als wir nach 4 Wochen wieder einmal in die Stadt gingen um einzukaufen war es ein seltsames Gefühl. Es gab Menschenschlangen vor den Einkaufsläden und alle warteten in gehörigem Abstand. Drinnen im Laden gab es kein Toilettenpapier und keine Desinfizier Mittel. Sonst war alles da. Drei Wochen später gab es kein Mehl und dann kein Fleisch mehr. Büchsen waren Mangelware aber Gemüse war wie immer da und Käse auch. Es hing eine Art Stephen King Roman Atmosphäre über der Stadt und wir waren froh wieder auf unere Rancho zu gehen.
Heute Ende Mai wo Oregon zaghaft wieder aufmacht kann man im Supermarkt Sozial Studien betreiben. Bei Safeway einem Supermarkt tragen etwa 80 % der Leute Masken. 20 % sind Trump Wähler ohne Masken die sich sicher sind es gibt keinen Virus. Bei Walmarkt und im Grocery Outlet einem Billiganbieter steigt die Zahl der Maskenlosen an. Bend liegt genau auf der Front zwischen Blue Oregon und Red Oregon. Dieses Jahr gab es erstmals mehr Demokraten in Bend als Republikaner dank der Neuzuzügler aus Kalifornien und Washington State. Die 94 000 Seelen Stadt Bend ist getrennt zwischen der Westseite und der Ostseite. Die wohl situierten Leute wohnen westlich des Flusses in großen Häusern umgeben von schönen Parks und in der nähe der pittoresken Innenstadt und dem Old Mill Distrikt der schönen Flanier und Shopping Meile am Deschutes Fluss. Im Osten leben die Leute in billig zusammengeschusterten Siedlungen und dahinter in der Pampa in Trailern und vorfabrizierten Häusern und Wohnwagen. Die politische und soziale Schneise geht quer durch Bend und damit auch durch den Bundesstaat. Der Osten ist Erz konservativ, spärlich besiedelt, verarmt und unzufrieden. Im Westen sind die großen Städte wo Oregon sein Geld verdient.
Wir wohnen südöstlich der Stadt umgeben von National Wald auf 16 Hektar Land. Meinen Nachbar Bobby sehe ich nur selten, dann wenn ich am Ende meines Grundstücks Holz schlage. Wir haben uns daran gewohnt nicht über Politik zu reden. Eigentlich leben wir hier in einem politischen Niemandsland denn unsere Gegend ist vorwiegend von großen Estates geprägt. Pferdefarmen und einzelne Anwesen prägen das Bild hier. Es ist eine wohlhabende Gegend die kaum einer in Bend kennt und so liegen wir unter dem Radar der lokalen Wahrnehmung. Die Ruhe auf unserem Land ist wohltuend und eine Oase in einer aufregenden Zeit. Seit 20 Jahren genießen wir hier zwischen unseren Fotoreisen die Stille der Natur. Auch jetzt in der Zeit des Corona Notfalles hat sich hier nicht viel geändert. Schrill wird es nur wenn man kurz den Deckel zum Hexenkessel unter der Bezeichnung Facebook aufmacht. Das soziale Network ist wie ein Zimmer wo gerade ein Sturm herrscht und sobald man die Türe aufmacht schlägt einem der Wind ins Gesicht. Da werden YOUTUBE Videos gepostet, es wird gestritten und geschrien. Alle Selbstdarsteller der Erde flimmern in einer endlosen Orgie von Wahn und Unvernunft über den Bildschirm solange bis man den Deckel wieder schließt.
Im Moment sind wir damit beschäftigt im Gewächshaus anzupflanzen, den Hof im Garten für die warmen Sommer Monate vorzubereiten und unser Bild Archiv endlich aufzuräumen. Der Gedanke das wir im Herbst wieder Reisen können ist sicher erfreulich aber auch ein bisschen unangenehm. Einfach einmal Zuhause zu sein ist nicht zu verachten denn wenn man einmal in den Genuss dieser fast meditativen Stille gekommen ist möchte man gar nicht mehr zurück in die hektische Welt von Flugzeugen, Taxis und Business Lunches. Also genießen wir derzeit das was wir uns immer vorgenommen hatten zu genießen. Einmal einfach Zuhause sein auf der Rancho las Hierbas in Oregon und nichts zu tun als der Stille zu lauschen und den Streifenhörnchen, Hasen und Kojoten zuzusehen wie sie ihr Leben leben.
Christian Heeb, Bend Mai 2020