Am Rande der Welt
Morgens um 4 ist es noch mäuschenstill hier im Eukalyptus Wald von Tasmanien. Gut gerüstet mit Stirnlampe, Stativ und Fotorucksack folge ich dem Wanderweg in Richtung Cape Hauy im Abel Tasman National Park ganz im Süden der Australischen Insel. Direkt link zur Tasmanien Foto Reise 2021
Manchmal leuchtet der Mond kurz auf am Himmel nur um gleich wieder von Wolken verschluckt zu werden. Kein Lebewesen macht sich bemerkbar. Ich sehe kein Känguru, keine Schlange und auch keinen der lauten Kokaburra, jenen großen Eistauchern die man hier oft antrifft.
Ich will zu den spektakulären 300 Meter hohen Meeresklippen am Cape Hauy laufen um dort beim Sonnenaufgang zu fotografieren. Gestern als wir am Nachmittag den Weg auskundschaftet hatten, brauchten wir dazu 3 Stunden hin und zurück. In der Nacht bin ich schneller und erreiche nach einer Stunde bereits die Stelle wo ein steiler letzter Aufstieg mich zu der Landzunge des Kaps bringt.
Mittlerweile ist es heller geworden und ich sehe dass nun der ganze Himmel von grauen Wolken bedeckt ist.
Trotzdem gehe ich weiter und ich sehe nun links und rechts von mir Wasser. Die Weite des südlichen Meeres erstreckt sich rechts von mir bis in die Antarktis. Links sehe ich in der Ferne die Küste und die Buchten des National Parks. Da man in der Natur Fotografie nie aufgeben soll stelle ich vorne am Rande der Klippen mein Stativ auf und mache eine 5 Minuten Belichtung mit 11mm Irix Linse Richtung Osten. Die Kamera sieht ja mehr als das Auge. Während die Kamera belichtet höre ich unter mir in der Tiefe die Wellen an die Klippen prallen. Wenn eine richtig große Welle ankommt spüre ich hier oben die Vibrationen.
Tasmanien kennen wir seit 20 Jahren. Damals fotografierten wir einen großen Australien Bildband für den Harenberg Verlag und reisten auch rund um die wilde Insel. Tasmanien erinnert mehr an Neuseeland als an Australien hat aber die Tierwelt Australiens und entsprechend auch die Vegetation des südöstlichen Australien. Noch ist Tassie wie es von den Australiern genannt wird ein Geheimtipp. Die ersten Chinesischen Touristen sind bereits unterwegs und vermehrt auch Reisende und Urlauber aus Europa aber alles noch in kleinem Masse. Wir hatten uns entschieden hier eine Fotoreise zu veranstalten nachdem wir von Kunden darauf angesprochen wurden.
Nun sind wir also wieder hier am scouten um eine optimale Reiseroute zu recherchieren.
Die Kamera hat ihre Belichtung abgeschlossen und der Monitor zeigt das raue Kap und ganz in der Ferne eine helle Stelle am Himmel. Jetzt sehe ich das auch von barem Auge. Es gibt eine Lücke in den Wolken genau dort wo die Sonne aufgeht.
Als abgebrühter Profi wage ich noch gar nicht zu hoffen dass es hier eine Mega Lichtstimmung gibt. Jetzt heißt es Ruhe zu bewahren und weiter lange Belichtungen zu machen. Denn wer weiß. Die Lücke kann wieder zugehen, es kann anfangen zu regnen oder ein Reisebus mit 200 Fotografen kommt in den nächsten Minuten hier an. Natürlich kommt keiner. Es ist zu weit für die meisten Leute. Die Wanderer werden erst um 9 hier eintreffen so dass die Welt heute mir und meinen Kameras gehört. Ich mache weitere Belichtungen und nun gibt es tatsächlich ein erstes rötliches Vorglühen auf den Felsklippen. Der Blick Richtung Cape Hauy liegt im Gegenlicht, der Blick zurück aber ist nicht minder spektakulär und hier fällt das Licht gerade richtig. Ich balanciere mein Stativ am Abgrund und stelle ein Bein über das Geländer um mit dem 11mm nicht Teile der Abschrankung mit im Bild zu haben. Jetzt höre ich die ersten Vögel zwitschern. Ein gutes Zeichen dafür dass der Tag anbricht und die Sonne bald kommt.
Nun geht es los und ich weiß gar nicht mehr wohin ich schauen soll. Im Süden verfärben sich die Wolken knall rot und über den Felsen gibt es feine rosa Wölkchen und die Klippen fangen an zu glühen.
Gleichzeitig gibt es eine herrliche Stimmung in der Ferne in der Bucht im Westen. Während meine Nikon D850 auf dem Stativ belichtet schieße ich eine Salve von Tele- Bildern mit der D500 im DX Format. Da ich nur ein Stativ dabei habe mach ich das von Hand. „400 ISO mit 125sec wird wohl nicht viel aber man weiß ja nie „ denke ich.. Links im Meer schießen rote Wolken empor und ich mache eine weitere Weitwinkel Aufnahme mit Klippen. Der Frage ist immer „wie kombiniere ich die tollen Wolken mit den Klippen“. Hier sind die roten Wolkenlinien eigentlich zu weit draußen im Meer aber da sie dermaßen toll sind muss doch ein Bild her. In der Regel versuche ich mich auf das zu konzentrieren was im Bild interessant ist und versuche mich nicht von farbigen Wolken ablenken zu lassen. Im Grunde sehen die roten Wolken ja immer fast gleich aus. Die Landschaft aber ist anders.Manchmal denke ich wir konzentrieren uns zu sehr auf die Farben am Himmel und vernachlässigen das Motiv. Mit der D500 und Crop Faktor mache ich ein Bild der Klippen aus der Hand denn die Zeit rennt.
Mittlerweile geht die Show weiter mit einer riesigen roten Farborgie über dem Meer und schließlich kommt die Sonne hoch und scheint auf die Klippen. Gerade wenn die Sonne am Horizont erscheint mache ich ein Weitwinkel Bild mit der Nikon D850 bei Blende 22.
Der Dynamikumfang der Kamera ist so gut dass ich das mit einer Belichtung hinkriege.
Nun legt sich das Warme Licht der Sonne auf die Klippen und ich fotografiere nun aus der Hand denn es ist schwierig hier am Abgrund ein Stativ zu platzieren.
Später staune ich Zuhause am Rechner wir gut die Schärfe der Aufnahme ist mit Blende 4.5. Schärfentiefe ist bei diesem Bild ohnehin nicht wirklich relevant. Das Cape Pillar im Hintergrund darf ruhig etwas weicher sein.
Nun nachdem die farbige Lichtstimmung vorbei ist kann ich mein Glück immer noch kaum fassen. Was für ein grandioser Morgen es ist. Ich packe meinen Kamerarucksack und sortiere meine wild durcheinander liegenden Objektive, Polfilter und verschiedene Deckel. Auf der schmalen Kannte wo der Weg weg vom Kap zurück führt fotografiere ich noch einen am Abgrund stehenden Bush welcher sehr fotogen einen Vordergrund bildet. Die Sonne ist nun in der großen Wolkenschicht untergetaucht und wird sich vorerst nicht mehr Blicken lassen. Durch das gefilterte Licht ergibt sich eine schöne fast monochrome Stimmung. Das Bild nenne ich Worlds End.
Auf dem Heimweg mit erstmals dem Gedanken an Kaffee laufe ich prompt in das erste Wallaby ( kleines Känguru) hinein. Es springt gleich ins Gebüsch und beäugt mich neugierig. Nun zahlt sich aus dass ich mein 80 -400mm Tele mitgeschleppt habe. Etwas später posiert noch ein Tasmanian Rosella für mich und als ich dann beim Campground eintreffe kommt mir gerade die erste Wandergruppe entgegen. Zwei Junge Frauen welche mit Kameras bewaffnet sich auf den Weg machten zum Kap. Wenn ich daran denke was für ein grandioses Licht ich da draußen hatte und wie grau es jetzt geworden ist bedauere ich die beiden fast.
Wieder einmal hat sich gezeigt dass man gute Bilder nur dann kriegt wenn man aus seiner Komfortzone rausgeht und dann fotografiert wenn das Licht gut ist und nicht dann wenn es bequem ist.
Foto Blog by Christian Heeb