Hier sitzen wir wieder einmal auf unserer Terrasse und genießen einen perfekten Cappuccino den Regula akribisch gemacht hat. Es ist Frühsommer hier auf unserer Rancho las Hierbas außerhalb von Bend, Oregon. Die Wüstenlandschaft ist in frischem grün erstrahlt. Das Bündelgras ist so hoch wie selten und die Büsche sind voller gelber Blüten. Ein Erdhörnchen rast fast über Regulas linken Fuß. Wir sehen weit und breit keinen Menschen, kein Haus und nicht das geringste Anzeichen von Zivilisation. Es fühlt sich an wie wenn wir mit der Natur alleine wären und die Menschheit ausgestorben.
Der Bundesstaat Oregon ist 254,810 km2 groß und hat eine Bevölkerung von 4.3 Millionen, wovon die meisten in der Stadt Portland und den Orten südlich davon
wohnen. Im Vergleich zur Schweiz ist das so, wie wenn dort nur eine halbe Million Menschen leben würde, und davon die meisten im Raum Zürich. Dies ist der Grund warum wir seit über 20 Jahren in Oregon wohnen und nicht mehr in der Schweiz. Das heißt noch lange nicht dass wir die Schweiz komplett verlassen haben. Noch immer sind wir mit unserer alten Heimat verbunden, sei es durch die freiwillige AHV Versicherung, unserer Krankenkasse, unseren Freunden und unserem Chalet am Grabserberg.
Die Schweiz ist geballt voll mit tollen Landschaften was der Fotograf Roland Gerth jeden Tag mit neuen Bildern belegt.
In Oregon ist das etwas anders denn auch hier gibt es traumhafte Landschaften zum fotografieren aber es ist unmöglich alles praktisch rund ums Haus zu fotografieren. Wenn Roland am frühen Morgen in Thal losfährt kann er locker den Sonnenaufgang irgendwo in den Glarner Alpen fotografieren. In 4 Stunden ist er in Genf. Wenn ich von Bend aus an den Wallowa Lake fahren will brauche ich 7 Stunden und habe damit erst die Hälfte von Oregon durchfahren.
Was man in Oregon als Fotograf braucht ist viel Zeit und ein gutes Wohnmobil. Damit wir vor Ort gleich schlafen können um zum Sonnenaufgang zu fotografieren haben wir schon seit Jahren einen sogenannten Pick Up Camper. Die aktuelle Ausführung ist ein Dodge Ram Diesel Truck mit einem Cirrus Camper Aufsatz. Mit diesem Allrad kommen wir auch an Orte wo es eine hohen Radabstand braucht. Wir kampieren meist wild abseits der Campgrounds damit wir unsere Ruhe haben. In Oregon darf man auf dem Land des National Forest und auf BLM Land (Bureau of land management) frei kampieren. Manchmal parkieren wir unseren Camper einfach am Straßenrand in einem ruhigen Wohn Quartier. Weil wir als Fotografen meist vor Sonnenaufgang aufstehen , sind wir bereits weitergefahren, wenn die Leute aufstehen und sich wundern könnten wem das fremde Auto wohl gehört.
Manchmal fotografiere ich gleich von meinem Haus aus. Einmal ist es eine Herde Hirsche, ein andermal ein Gewitter mit Blitzen oder eine Winter Szene mit dem Vulkan Kegel Mount Bachelor. Etwa 40 Minuten vom Haus entfernt, am Cascade Lakes Highway, liegt der Sparks Lake. Das Bergpanorama dort, des sich im stillen Wasser spiegelnder South Sister Vulkan ist wohl das bekannteste Foto Motiv von Oregon. Besonders fotogen ist diese Szene im Frühsommer wenn der Berg noch schneebedeckt ist.
Wenn in den USA jemand an Oregon denkt denkt er an immergrüne Landschaften, also an Wasserfälle, Moos und Dauerregen. Dieses Bild trifft allerdings nur auf den westlichen Teil des Staates zu. Zwei Drittel von Oregon liegen in der Wüste und sind Teil des grossen Beckens der USA. Das grosse Becken, Great Basin, ist eine riesigen Trockenfläche deren Flüsse alle in den Wüsten Tälern versickern. Unser Wohnort Bend liegt am Rande des Kaskaden Gebirges und
damit am Rande des Grossen Beckens. Östlich von uns gibt es endlose Weiten, Salbei Steppen, und schroffe Canyons sowie Berge voller Fichten und Geisterstädte. Die berühmten Badlands der Painted Hills liegen in diesem Gebiet sowohl der Steens Mountain, ein isoliertes Gebirge inmitten weiter Graslandschaften. Dass diese Gegend auch ein ideales Gebiet ist für Astro Fotografie muss ich wohl kaum erwähnen. Es gibt dort kaum Lichtverschmutzung und die trockene Luft und der Wolkenlose Himmel macht es den Astro Fotografen besonders leicht. Abgesehen von den Seen rund um Bend fotografiere ich die Milchstrasse auch gerne im nahen Crater Lake National Park. Der Park ist einer der schönsten und faszinierendsten der USA und hat den grossen Vorteil dass er abseits der grossen Städte liegt.
Neben den Vulkanen, Bergseen und fantastischen Wasserfällen ist Oregon bekannt für seine grandiose Pazifik Küste. Die landschaftlichen Höhepunkte stehen hier in konkretem Gegensatz zu den zum Teil verwahrlosten und armseligen Orten. Wie der Osten von Oregon ist auch die Küstenregion ein Armenhaus welches sich nur dank den Touristen über Wasser hält.
Die 484 Kilometer lange Küste birgt einige besonders fotogene Abschnitte. Der ergiebigste Abschnitt liegt für mich im Süden. Angefangen bei Bandon wo es besonders fotogene Felsnadeln an der Küste gibt folgt der Highway 1 der Küste Richtung Süden nach Kalifornien. Die verwunschenen Buchten des Samuel S. Boardman State Parks sind einfach einmalig, verwunschen und fotogen. Man muss dort nur wenige Meter von der Straße weg gehen und schon findet sich ein wildes hoch romantisches Natur Paradies. Leider wurden die dort versteckt liegenden Steinbögen von Instagram Fotografen entdeckt und nun tänzeln dauernd junge Mädchen in schmucken Hütchen über die Klippen.
Wer sich über die Grenze nach Kalifornien wagt endet mitten in den Redwood Bäumen jenen sagenhaften Riesen Bäumen welche man gesehen haben muss um ihre Dimension richtig zu erfassen. Kalifornien selbst ist natürlich ein Thema für sich aber die Redwoods liegen so nahe zur Grenze von Oregon dass man sie nicht auslassen sollte. Der Nachbar Staat Washington im Norden, bietet ebenso viel an Landschaftlichen Reizen. Von den fantastisch schönen Panther Falls zum Mount Rainier Vulkan, der Olympic National Park Küste und in den nahezu unbekannten North Cascades National Park ist auch Washington ein Traum Land für Fotografen, aber eben auch das ist ein anderes Thema.
Vielleicht zum Abschluss noch einen Hinweis auf meine USA Webseite wo ich einen Blog auf englisch geschrieben habe, und mich zu den Jahreszeiten zum fotografieren äußere: https://www.ccophoto.com/best-time-to-visit-central-oregon-for-nature-photography/
Natürlich kann man sich heute gerne auch fragen ob man in der heutigen Zeit wo der Klimawandel uns direkt bedroht noch so weit reisen soll um ein paar Wasserfälle, Berge und Küsten zu fotografieren. Berge und Wasserfälle gibt es Zuhause in der Schweiz und wilde Küsten auch in Europa. Als Reisefotograf mit mehr als dreissig Jahren professioneller Arbeit bin ich heute überzeugt dass weniger mehr ist. Wir sollten uns alle auf nahe Themen konzentrieren und unser Umfeld geniessen. Ich glaube die Zeit der grossen Fernreisen ist bald vorbei so ungern wir uns das auch eingestehen möchten. Es ist eigentlich moralisch nicht mehr tragbar. Das steht natürlich komplett im Widerspruch mit meinen Foto Reisen, aber wahrscheinlich machen wir einfach weiter und geniessen den abend unser Zivilisation in der Hoffnung dass die Wälder und Küsten von Oregon uns überleben werden.
© Christian Heeb
1.September 2020