The Grumpy Traveler
Christian Heeb Writer/Photographer
Stories from the road without the bullshit. No, I will not tell you what my favorite bag is and my mission is not, to share the beauty of our world. I have no van, no dog and I am no digital nomad. World peace will never happen. But I hope you get some laughs and will think before you hit the road …
1- Grosse Seen und Chicago
Mein Kajak gleitet lautlos durch die klaren Wasser des Sees. Wenige Meter vor mir sehe ich Regula in ihrem gelben Boot wie sie sanft dahingleitet. Vor ihr bricht die Sonne in einer Orgie aus Rot und Lila tönen hinter dem nordischen Wäldern hervor.
Ich ziehe meine Nikon aus der wasserfesten Tasche die ich immer bei mir vorne auf dem Kajak montiert habe und schieße in rasanter Folge eine Serie von Aufnahmen. Heute früh gab es einige Wolken am Himmel. Die Mischung aus erstem Sonnenlicht und farbigen, leuchtenden Wolken und deren Reflektionen im stillen Wassers des Sees sind für die Kamera unwiderstehlich.
Wir befinden uns im Land der Seen von Minnesota. Genauer gesagt in den „Boundary Waters“ an der kanadischen Grenze. Anfang September ist hier gerade Indian Summer. Ein gigantisches Hochdruckgebiet sorgt für sommerliche Temperaturen, klaren blauen Himmel und leuchtende Farben.
Hinzu kommt, dass wir den Park nahezu für uns alleine haben. Die Sommertouristen sind alle weg und nur ein paar vereinzelte Rentner fahren noch hierher zum Angeln.
Regula paddelt sanft und relaxed vor mir her. Noch immer ergeben sich gute Bilder. Mit Weitwinkel baue ich den Bug meines Bootes in die Bildkomposition ein. Die aufgehende Sonne leuchtet hinter Regula auf. Mindestens 15 Minuten lang fotografiere ich ununterbrochen. Dann ist der erste Spuk vorbei. Das Licht wird flach und langweilig.
Wir rudern weiter, lassen uns treiben. Ich erwarte weitere Motive und schon kommt eine kleine Insel mit einer einzelnen Kiefer darauf. Regulas Kajak in Kombination mit der Insel gibt erneut ein tolles Bild. Kurz danach taucht ein Seetaucher aus dem Wasser neben meinem Boot auf. Diese großen intelligenten Tiere sind sehr scheu, werden aber oft von ruhig treibenden Booten überrascht. Dieser hier schert sich nicht, paddelt aber doch langsam von meinem Boot weg. Nun bin ich aber froh, dass ich mein 80-400m Zoom Objektiv dabei habe. Ich habe gerade genug Zeit zum Objektivwechsel und um 4 Bilder zu machen bevor der Vogel sich endgültig verflüchtigt und untertaucht.
Minnesota ist ein Traumrevier für Naturfotografen. Nicht umsonst wohnt hier der Fotograf Jim Brandenburg, welcher mit seinen Bildern von Wölfen weltberühmt wurde. In der Nähe von Ely, dem Ort, wo Jim eine Fotogalerie hat, läuft prompt ein weißer Wolf vor uns über die Straße. Er trottet uns entgegen wie ein Hund, wirft uns einen gelangweilten Blick zu und verschwindet im Unterholz.
Ein besonders ergiebiges Gebiet für Fotografen ist die Küste nördlich der Hafenstadt Duluth am Lake Superior. Die Ikone dieses Küstenabschnittes ist der „Split Rock Lighthouse State Park“ mit seinem hoch auf einer Klippe stehenden Leuchtturm. Auch wir wollen uns dieses Postkartenmotiv nicht entgehen lassen. Am Abend kurz vor Sonnenuntergang erreichen wir den Park und fahren sofort zum Strand, um noch die letzten Strahlen der Sonne einzufangen. Und tatsächlich schaffe ich gerade noch ein paar Bilder zu machen bevor die Sonne für heute hinter dem Horizont verschwindet. Die Brandung des Binnenmeeres schwappt unentwegt ans Ufer, wälzt den schwarzen Kiesel unermüdlich hin und her. Man fühlt sich wie am Meer. Ein paar Birkenstämme liegen halb vergraben im Geröll am Ufer. Am Himmel zeichnet sich trotz Wolken keine imposante Farbstimmung ab. Trotzdem will ich noch ein Bild fotografieren welches die raue Stimmung an diesem großen See wiedergibt.
Die Kamera auf das Stativ geschraubt, mache ich bei Blende 20 eine Belichtung von 2 Sekunden. Den Himmel dunkle ich etwas mit einem farbneutralen Graufilter ab. Die lange Belichtung lässt das schwappende Wasser weich und fast durchsichtig aussehen.
Am kommenden Morgen wollen wir hier nochmal herkommen zum Sonnenaufgang und sehen, was uns hier für die Kamera präsentiert wird.
So geht es einige Tage weiter. Im nahen „Cascade River State Park“ gibt es unzählige Wasserfälle. Hier stürzten sich die gesammelten Wasser des westlichen Hochplateaus über steile Klippen zum See hinunter. Jetzt im Herbst gibt es wenig Wasser, sodass die Fälle nicht so spektakulär sind, aber trotzdem finden wir zahllose Motive. Es gibt enge Schlünde, Gletschermühlen, stille Nischen mit Herbstlaub und jede Menge frische Luft und Bewegung.
Eines Morgens fotografieren wir den Sonnenaufgang über dem Wasser. Am Ufer bildet ein Busch voller Vogelbeeren mit grünen Blättern einen tollen Kontrast. Ein Seeadler schwingt sich vor uns in die Lüfte. „Wenn der Indian Summer nur ewig dauern würde“ denke ich. Als wir zum Auto gehen kommen uns ein paar Wortkarge Einheimische entgegen. Die Minnesotans, deren Wurzeln oft nach Skandinavien reichen, sind für Wortkargheit bekannt. Der Film „Fargo“ von Joel und Ethan Coen veranschaulicht diese Kultur in eindrücklicher Weise. Auch dieses Pärchen, das uns entgegenkommt, brummelt uns nur etwas kaum verständliches zu, nachdem ich ihnen ein freundliche ‚good morning‘ zurufe.
Man könnte hier Wochen verbringen. „Doch nun reicht es“ sage ich mir. Die Gänse fliegen bereits in den Süden und auch für uns wird es Zeit langsam südwärts zu fahren. Unser Ziel Key West ist weit entfernt.
Es ist auch ein weiter Weg vom Norden Minnesotas bis nach Chicago unser nächstes Etappenziel. Zum Glück haben wir bei Alamo einen Toyota Prius Hybrid gemietet. Das senkt die Benzinkosten um mindestens die Hälfte. Es sind 650 Kilometer von Duluth bis Chicago. Die Wälder und Seen des Nordens weichen den kultivierten Feldern des Mittleren Westens bereits im Norden von Wisconsin. Es gibt kaum etwas zu sehen auf der eintönigen Fahrt nach Süden. Überall gibt es Farmland und Höfe mit vereinzelten Wäldchen. Man ist fast versucht, die banalen Werbeschilder der Autohändler, Krankenhäuser oder Frittenbuden zu lesen.
Ein kurzer Abstecher nach Westen bringt uns zu Frank Lloyd Wright’s Haus und Studio in Spring Green Wisconsin. Die architektonische Pilgerstätte liegt eingebettet in eine idyllische, pastorale Landschaft, versteckt in einem vergessen Teil Amerikas.
Die Architektur Wrights hatte schon immer etwas beklemmendes für mich. Niedrige Decken und ein dunkles Interieur, teilweise erinnern an H.R. Gigers berühmte Alien Gemälde.
Das graue Wetter verstärkt meine Vorurteile als wir eintreffen. Wrights Geschichte wurde kürzlich von dem Schriftsteller T.C.Boyle in dem Buch „Die Frauen“ wiederbelebt. Wrights Leben war so aufregend wie ein Hollywood Thriller. Von den ganzen Dramen inklusive dem brutalen Mord hier in Taliesin spürt man heute nichts mehr. Die Provinz hat sich ihre Ruhe zurückerobert.
Bedeutende Architektur ist auch ein wesentlicher Bestandteil von Chicago, Amerikas Metropole im Mittleren Westen. „The Windy City“ erhielt ihren Namen nicht wegen der starken Winde, welche vom Lake Michigan durch die Großstadt Schluchten peitschen, sondern wegen der etwas schiefen Charakteren, welche in ihrer Gründerzeit die Stadt bevölkerten. Windy City also für zwielichtige Gesellen.
Chicago ist eine herrliche Stadt und ich wünsche mir, wie so oft, dass mehr Europäer Chicago besuchen, statt sich in den Schluchten New York zu verlieren.
Die Architektur Chicagos ist schlicht phänomenal. Die Stadt ist ein einziges Wolkenkratzer-Museum. Chicago hat eigentlich alles, was New York hat, aber mit mehr Lebensqualität, freundlicheren Menschen und endlosen Grünflächen, sowie herrlichen Stränden am Lake Michigan und natürlich den Blues.
Ohne Blues hätte die Stadt keinen Soundtrack. Wenn diese Musik mittlerweile auch etwas antiquiert klingt und sich kaum für das Download- und Ringtone-Zeitalter eignet, ist der Blues aus Chicago nicht wegzudenken.
Wir wollen uns mit unserem Freund, dem Schriftsteller, Gourmet-Journalisten und nebenbei Regierungs Bürokraten Alan Shannon treffen. Wir planen, auf der sündhaft teuren Terrasse des neuen gigantischen Wolkenkratzers von Donald Trump einen Drink einzunehmen. Die Sicht auf die umliegenden Hochhäuser sei in Chicago einmalig wurde uns gesagt. Leider ist alles ausgebucht für eine private Party und im übersetzten Szenen Treff “the Witt “ ist es dermaßen voll und laut, so dass wir nach kurzer Bewunderung der Aussicht schnell das Weite suchen. Schließlich gibt es ein Bier in einem der unzähligen Irish Pubs in Chicago und danach Dinner im angesagten vegetarischen Restaurant “Green Zebra”. Alan erzählt uns von vielen, neuen trendigen Lokalen der Stadt, welche wir nie und nimmer alle besuchen können. Wer glaubt, Chicago sei ein Provinznest in der Prärie, irrt sich gewaltig.
Später gehen wir noch in Buddy Guys „Legends” Blues Club. Alan hat sich verabschiedet, weil er keinen Blues mehr hören mag. Wir aber wollen noch ein paar Filmaufnahmen für unseren Film von “Chicago to Key West” machen.
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