The Grumpy Traveler
Christian Heeb Writer/Photographer
Stories from the road without the bullshit. No, I will not tell you what my favorite bag is and my mission is not, to share the beauty of our world. I have no van, no dog and I am no digital nomad. World peace will never happen. But I hope you get some laughs and will think before you hit the road …
Sturgis, South Dakota, August 2011
Ich hatte den Auftrag, in South Dakota die Sturgis Rally zu fotografieren. Die Rally ist so etwas wie der Hajj und Sturgis das Mekka der Motorrad Community.
South Dakota und seine Landschaften waren mir schon lange bekannt und ich habe dort über die Jahre viel fotografiert, war auch im Jahre 1988 schon einmal in Sturgis gewesen. Damals, noch mit einer Nikon F3 und Kodachrome Filmen bewaffnet, fand ich das alles faszinierend, denn ich fand alles in den USA spannend.
Nun war ich zurück als abgebrühter alter Fuchs, so nannte mich zumindest die berüchtigte Bildchefin des heute eingestellten Reisemagazins Abenteuer und Reisen.
Mit der „Biker Community“ war ich bestens vertraut, denn ich hatte über die Jahre mehrere Bücher über Motorradfahren in den USA und über die Route 66 fotografiert.
Für mich waren Harley Fahrer Menschen, die sich am Wochenende in Leder und schwarze T- Shirts hüllten, um dann aus ihrer Vorstadt Garage zu fahren. Sie bogen beim lokalen Starbucks links ab und fuhren nach dem McDonalds auf die Landstraße, wo sie Freiheit und Abenteuer suchten. Nachdem sie sich einige Zeit dem Wind aussetzt hatten, hielten sie an einem Saloon oder einer Bar an und watschelten hinein, aßen einen Hamburger, tranken ein paar Bud Light Biere und wankten dann zurück, um wieder nach Hause zu fahren, wo schon mehr Bier und der Sportsender auf sie wartete.
Maureen von der Tourismus Behörde erwartete mich in Sturgis. Das kleine Nest war kaum wiederzuerkennen. Überall gab es Buden, wo man alles kaufen konnte, was man als Biker so braucht. Unmengen an schwarzen T-Shirts mit Motorrad Logos drauf. Alle nur erdenklichen Teile für das Motorrad, Lederklamotten und allerhand Kitsch. Es gab Fuchsschwänze, Ledermützen und patriotische Bikinis für das weibliche Opfer auf dem Hintersitz.
Der Lärm der Motorräder war ohrenbetäubend und es war fast unmöglich, ein Wort zu wechseln. Es war noch ein weiterer Tourismus Beamter , dessen Namen ich vergessen habe. Sie beide hatten glühende Gesichter vor Freude am Event und fuhren selbst Harleys, wie sie mir freudig berichteten. Es schien, die ganze Welt, zumindest ganz South Dakota, konnte es kaum fassen, dass nun schon wieder die Rally war. Wahrscheinlich machte der Staat in den Wochen mehr Geld als über das ganze Jahr hindurch, dachte ich. Eine Studie der Texas A&M Universität behauptete, dass die Rally ungefähr $784.1 Million Dollar dem Staat einbrachte.
Die Hauptstrasse bestand nur aus Motorrädern, die im Schritttempo hin und her fuhren. Alle Leute sahen gleich aus. Ich wollte es visualisieren und fand das in Worte setzen schwierig. Es sah aus wie wenn 90 Prozent der Fahrer Männer waren. Viele hatten Frauen auf dem Sitz hinter ihnen. Die meisten trugen Leder, schwarze T-Shirts und manche Jeans. Wenige Frauen fuhren ein Motorrad, hatten aber nie jemanden hinten drauf. Ein blonder Kerl hatte eine Zigarre im Mund, ein anderer trug einen Pork Belly Hut. Eine der weiblichen Gallionsfiguren trug ein Bikini und hatte sich hinten ein Herz auf das Gesäß tätowiert. Die Frauen auf den Rücksitzen hatten eine Tendenz zum Exhibitionisms.
Ich machte schnell ein paar Bilder, die alles zeigten, denn Abwechslung gab es nicht, ich war in einer konformen Szene von Mitläufern gelandet.
Nun folgten wir den dröhnenden Motorräder zum Buffalo Chip Campground, wo ich netterweise gratis Zutritt erhalten hatte. Ich durfte mich frei bewegen und fotografieren. Im Camp gibt es mehrere Bars, inklusive Stripperinnen und Blondinen in Bikinis die Drinks mischten und Bier servierten. Es gab eine große Bühne, wo heute die zwei Headliners Lynyrd Skynyrd und Greg Allman spielen sollten. Im Grunde war das ganze Areal wie ein großer Rummel mit Buden und kleinen Events für raue Harley Kerle. Das Publikum war hoffnungslos überaltert. Die jungen Mädchen, die halbnackt herumliefen, schienen fast etwas überflüssig, denn die Alten nahmen sie nicht einmal wahr.
Ich schaute kurz den Roller Derby Frauen zu, wie sie sich auf Rollschuhen abquälten, verlor aber bald das Interesse, denn es gab nun eine Art Schönheitswettbewerb, wo sich mehrere junge Frauen, „chicks“ genannt, halbnackt äussern mussten, warum es ihnen hier gefällt. Es war eine grandiose Ansammlung von Bardamen, die ihren Lebensunterhalt damit verdienen, sich von alten chauvinistischen Schweinebacken anmachen zu lassen. Sie schienen Spaß zu haben. „It’s all good natured fun“, wurde mir versichert.“ I just love the smell of gasoline” sagte eine kupferbraune Latina Sex Göttin. Eine spindeldürre, langbeinige Vixen log, es sei alles so exiting, “so many good looking guys”.
Ich war froh, als der Sprecher ankündigte, dass Lynyrd Skynyrd, leider wegen Krankheit, absagen mussten. „Das, was also, was nach dem grossen Flugzeugabsturz von 1977 von der Besetzung der Band übrig geblieben war, ist nun krank“, dachte ich.
Die Band hatte sich nie mehr erholt davon, dass ihr charismatischer Songwriter und Sänger Ronnie Van Zant gestorben war. Die verschiedenen Neufassungen kopierten sich in immer neuen Konstellationen selbst, blieben aber immer nur schaler Abklatsch dessen, was die Band groß gemacht hatte. Es gab krachende Gitarren und rauen Gesang voller konservativer Country Lyrik. Sie waren gut ausstaffiert mit Leder, wallenden blonden Haaren und vielen Kreuzen, montiert auf Lederjacken, Halsketten und Ohrschmuck. Aber das ganze Blendwerk half nichts, es gab keinen Ronnie mehr und der Süden war nicht mehr cool. Es mutet mich immer seltsam an, wenn sich alles immer im Kreise dreht und plötzlich konservative, rechte Rocker, langes Haar tragen, so wie früher die verpönten Hippies. Nun waren die Rechten langhaarig und die Linken kurzhaarig.
Ich war froh, dem Südstaaten Rock-Abklatsch zu entgehen und freue mich auf Greg Allman. Ich war immer ein Fan der Allman Brothers Band gewesen , deren Musik mich auch auf vielen meiner frühen USA Reisen begleitet hatte.
Langsam kamen die Leute zum Konzert. Die Harleys reihten sich vor der Bühne auf, aber es wurde nicht voll. Es stank nach Abgasen und Bratfett und versengter Haut. Die Vorgruppe dröhnte vor sich hin. Ein langhaariger Gitarrist und Sänger schrie ins Mikrofon und erinnerte mich an Bryan Adams, welcher vor vielen Jahren gerne die Liveshows von Tina Turner versaute.
Der Applaus kam von den im Leerlauf durchstarteten Motorrädern. Die alten ,dickbauchigen, schwarz T-shirtigen, weiss bärtigen Männer saßen wie angegossen auf Ihren riesigen Harleys. Ich dachte, wenn man die Bikes mit Rollstühlen austauschen würde, wäre es eher altersgemäß.
Dann, als ich noch mit einer Mischung von Anwidern und Faszination auf einen nackten dürrpflaumenartigen Hintern starrte , welcher aus den Lederchaps einer Rockerbraut stach, kam Greg Allman auf die Bühne. Er trottete rein, setzte sich ans Piano und da saß er nun, ein geschrumpftes, gebogenes Männlein. Seine Stimmer war erstaunlich kräftig und die Musik gefiel mir. Während des ganzen Konzertes sagte er kein Wort, bewegte sich kaum und sang einen Song nach dem anderen. Wäre da nicht die Musik gewesen, hätte ich gedacht, er sei tot.
Die Harleys brummten, die Stripperinnen standen hinten und langweilten sich. Die Lederfrauen machten sich schon Sorgen, wie sie ihre alten Männer heute vom Bike ins Bett bringen sollen und dann hatte ich genug.
Hinten an der Straße fuhren noch immer Harleys hin und her und die vielen überall stehenden amerikanischen Flaggen wehten im Wind. Im Hintergrund sah ich Bear Butte im fahlen Abendlicht stehen. Der heilige Visionsberg der Lakota und der Cheyenne ragte über dem letzten Aufbäumen unserer Petroleum Kultur. Ich hatte meine Bilder und durfte gehen. „Gott Sei Dank“, dachte ich und fuhr meinen Camper in die Black Hills hinein, wo ich an einer stillen Stelle parkierte und mein Nachtlager aufschlug. „Hier haben schon Sitting Bull und seine Leute campiert. Hier lagerten früher die Crow Indianer und die Kiowas, bevor sie vor den Lakota vertrieben wurden und nun campiere ich hier“, dachte ich. Ab und zu hörte ich den Aufschrei eines weit entfernten Motorrads in der Nacht. Ich bildete mir ein, es waren Kojoten und schlief ein.
Christian Heeb/ 2023
Gerth meint
Hat mir sehr gefallen, ist kurzweilig und musste oft schmunzeln. Weiter so, du hast auch Talent zum Schreiben