Der August-Himmel brütete über dem staubtrockenen Land hier in Oregon wie ein Bügeleisen, dass noch die letzten Falten glätten wollte. Unser schönes Gras rund um das Haus war gelbbraun, die Büsche verdorrt. Nur der Lavendel blühte unbeirrt weiter. Nun waren es gelbe zierliche Vögel, welche die Samen aus dem russischen Salbei pickten. Und die Streifenhörnchen legten sich zur Abkühlung, platt wie Bettvorleger, auf die Steinplatten im Schatten unserer Liegestühle.
Es war ein seltsamer August, der daher gut in dieses verrückte Jahr passt. Wir hatten noch ein paar lokale Nachthimmel-Foto-Workshops geplant. Das ging gut, weil man in Oregon genug Raum hat um die Abstandsregeln einzuhalten. Regula war vorwiegend damit beschäftigt, Fotoreisen zu verschieben, Geld an Kunden zurück zu zahlen und die Webseiten zu überarbeiten.
Am nächsten Tag, frühmorgens, tief in den Cascade Bergen von Oregon, glitten unsere Kajaks über das spiegelglatte Wasser des Waldo Sees. Waldo gilt als einer der saubersten und unberührtesten Seen der Welt. Er ist umringt von bewaldeter Wildnis. Von der Landestelle paddelten wir zuerst durch eine kleine Bucht mit schönen Inselchen, die an die Landschaften an der kanadischen Westküste erinnern. Ein wabernder Rauchschleier qualmender Lagerfeuer lag über dem Wasser und wir hörten, wie in der Ferne die Leute auf dem Campingplatz erwachten. Ein Hund bellte, ein Kind schrie und ich fühlte mich wie ein Waldläufer im Jahre 1832, der an einem Camp von Natives vorbeipaddelt. Wir fuhren unter einem strahlend blauen Himmel zum Nordende des großen Sees und landeten in einer einsamen Bucht. Ein Specht hämmerte gerade für sein Frühstück an einem Baum. Sonst war es totenstill. Wir ankerten und badeten im See. Es war wie zu Anbeginn der Tage.
Am nächsten Tag fuhren wir von Waldo zum Hosmer See. Das ist einer der Seen in den Bergen, etwa eine Autostunde von Bend entfernt, wo auch der Deschutes Fluss entspringt. Der Hosmer See ist umringt von Binsen, Schilf und Marschland. Er liegt auf etwa 1500 Meter Höhe und hat mehrere Verbindungskanäle zwischen den einzelnen, verzweigten Teilen. Wir stellten unseren Camper am Abend gleich bei der Bootsrampe ab. Campingplätze vermeiden wir so gut es geht: Sie kosten Geld, sind meist unter Rauchwolken begraben, es gibt schreiende Kinder, betrunkene Teenager und Generatoren.
Am nächsten Morgen um sechs, ich wollte gerade mein Kajak vorbereiten, kamen bereits die ersten somnambulen Angler angefahren. Alte Knacker, deren Hobby darin besteht Fische zu belästigen. Die Fischer und die Fotografen sind die einzigen, die so früh hier antanzen und es ist ein friedliches Koexistieren. Wir grüßten uns freundlich mit einem „how are you?“
Dann, nach drei Tassen argentinischem Mate Tee, stießen wir die Kajaks ins Wasser und paddelten los. Es ist ein ungemein befreiendes Gefühl, auf dem See zu sein. Die Weite des offenen Wassers verbreitet ein Gefühl von Freiheit und unbegrenzten Möglichkeiten. Es war nur das leise Tropfen zu hören von Wasser, das von unseren Rudern zurück in den See plätscherte. Die Fischer waren in eine kleine Bucht im Süden gefahren um mit ihren Angeln und Fischen alleine zu sein. Redwing Blackbirds, eine Art Amsel, nuschelten im Schilf herum. Auf einem alten Baum saß ein großer Weißkopfseeadler und beobachte uns argwöhnisch. Das Wasser im seichten Hosmer Lake ist so klar, dass wir die großen Forellen sehen konnten, die vor dem Schatten unserer Boote wendig flohen. Ganz am Ende, wo ein Bach den See von Norden her speist, gibt es noch eine kleine Bucht. Die meisten Leute drehen vorher ab, denn man sieht sie aus der Distanz nicht. Als wir da einbogen standen plötzlich zwei Kraniche vor uns am Ufer. Wir ließen die Boote gleiten und bewegten uns nicht. Ein paar Eichelvögel stießen Warnrufe aus, um ihre Kumpel vor uns zu warnen. Die Kraniche wurden nervös und stolzierten hinter die Büsche, weg von uns. Danach ließen sie es krachen und klapperten vor sich hin. Jetzt verstehe ich, woher der Name Klapperstorch kommt.
Auf dem Rückweg von unserem Morgen in der Natur kamen uns langsam Menschen entgegen. Es war ein heißer Sommertag und das Wachstum der Metropole Bend macht sich auch in den Bergen bemerkbar. Die ersten waren eine Gruppe schnatternder Seniorinnen, welche eingehüllt in einer Wolke von Moskitoschutzmittel an uns vorbeipaddelten. Dann kamen etwas pummelige Mitte-Fünfziger in Safari-Kleidung auf etwas zu klein scheinenden Kajaks angerudert. Diese wurden dann von einer Gruppe junger, wie Regula sagt, „Stadtpark-Naturalisten mit IT-Jobs“ auf Paddle-Boards abgelöst. So ging es weiter, bis wir uns an der Anlegestelle durch ein Rudel von Stadtmenschen kämpfen mussten. Wir waren froh, dass wir Fotografen sind und früh aufstehen und dann meist alleine sind mit der Natur.
Zurück in Bend machte ich noch ein Bild für meine Uncle Sam-Fotoserie. Dort flieht er in seinem 1965 Thunderbird Cabrio vor einem Waldbrand. Im Hintergrund brennt auch ein Trump Wahlkampf Schild mit der Aufschrift „God and Country – Trump“. Die amerikanische Demokratie, welche gerade etwa 250 Jahre alt ist, steht auf dem Spiel – oder in den letzten Zügen. Der Rubikon war schon von George W. Bush durchquert worden und nun standen die Barbaren nicht nur vor der Türe sondern waren im Weißen Haus.
Als ich das Bild mit dem Waldbrand machte, wusste ich noch nicht, wie schlimm es kommen wird. Anfang September kam ein Sturm angefegt und verursachte mehrere Feuer in Oregon, Washington und Kalifornien. Bei uns wurde es am Nachmittag rabenschwarz und ein roter Schimmer lag über dem Land. Waldbrände wie das Feuer am Mount Jefferson nördlich von uns wurden zu gigantischen Monster Bränden. Kreuz und quer in Oregon mussten die Leute evakuiert werden, und manchmal hatten sie nur wenige Minuten Zeit, um zu fliehen bevor die Feuer angeprescht kamen. Kleine Orte auf der Westseite der Berge wurden vollständig zerstört. Mehrere Naturparks in den Bergen verbrannten. Es fühlte sich an wie der Weltuntergang. Noch nie in der Geschichte von Oregon gab es dermaßen große und verheerende Brände gleichzeitig. Der heißeste und trockenste Sommer seit Beginn der Aufzeichnungen endete in einem Inferno. Dann kam der Rauch, und die Westküste der USA hatte von Los Angeles bis Seattle die schlechteste und gefährlichste Luft der Erde. Die Sonne verfinsterte sich zu einer roten Kugel und die Rauchschwaden kamen unentwegt – bis man die Sonne gar nicht mehr sah und die Welt verblasste.
„Gelobt sei der, welcher ein Wohnmobil besitzt“, sagten wir uns und fuhren in die Ruby Mountains von Nevada. 800 Kilometer von Bend entfernt sahen wir wieder blauen Himmel, herbstliche Birken und Bergseen. In Oregon brannte es weiter und die Luft blieb dort tagelang gesundheitsschädlich für Mensch und Tier. Unser Haus war in Sicherheit, denn die Feuer wüteten im Westen von Bend. Aber es schmerzte daran zu denken, dass Tausende von Quadratkilometer Land verbrannten, das Tausende Häuser abfackelten und unendlich viele Wildtiere starben. Der Klimawandel war nun mit voller Wucht auch in Oregon eingetroffen. Noch nie hatten wir uns alle so auf den Herbst gefreut, in dem wir endlich wieder mit Regen rechnen konnte.
Als wir in Nevada waren, sandte uns Antonio aus Mexiko ein Bild von unserem Haus in Baja wo gerade zwei Mexikaner in großen Sombreros unser neues Palapa-Dach fertig stellen. Dort war alles beim Alten: blauer Himmel, keine Feuer und ein azurfarbenes Meer. Es wurde Zeit zu packen und in unsere Winter-Residenz zu fahren.
10.Oktober, 2020
Harald Müller-Späth meint
Hallo Christian und Regula
Schön von Euch zu lesen.
Ich hatte schon überlegt, ob ihr von den Bränden in Oregon betroffen seid.
Aber es sieht ja wohl nicht so aus.
Bin zurzeit in Abuja für 3 Wochen, um meinen Haushalt aufzulösen.
Ich war Anfang April nach Deutschland gegangen und seitdem auch nicht mehr in Nigeria.
Ab dem 1.01.21 bin ich dann im Ruhestand.
Alles Liebe
Harald
Monika Stützer meint
Hallo Christian und Regula,
habe bei den Nachrichten über die Feuer an euch gedacht und gehofft, daß ihr keinen Schaden nehmt und womöglich das Haus verliert. Erleichtert, euren Bericht zu lesen und auch die schönen Bilder neben dem Fürchterlichen sehen zu können, danke dafür !
Corona beschäftigt alle, aber auch ich denke, wir müssen das Gehirn einschalten und rücksichtsvoll zu anderen und uns selbst sein. Ich habe kleine Reisen in Deutschland gemacht und bin öfters gewandert, die Wälder waren bis auf die Trockenteile wunderschön. Ausstellungen besucht, Filme im Kino angesehen und zu Hause viel aussortiert, repariert …. wie so viele.
Genießt den Winter und bleibt gesund. Herzliche Grüße aus Deutschland
von Monika
Widmer Roger meint
Hola Amigo
Irgendwann werden Deine Geschichten auch online zu kaufen sein.
Gruss aus C. R.