„Der Zaunkönig hat uns verlassen“, sagt Regula mit betont traurigem Gesicht. Wir sitzen in unseren Liegen und trinken den Frühstücks-Cappuccino hier auf der Rancho in Oregon. „Tatsächlich“, sage ich! Die so laut zwitschernden Jungvögel sind ausgeflogen und das von
mir selbst gebastelte Vogelhaus hängt einsam und verlassen am Querbalken über uns. Jedes Jahr nistet dort ein Zaunkönig-Pärchen und wir schauen den emsigen Vögeln gerne zu, wie sie von Ast zu Ast sausen und Futter für die Jungen herbeischaffen. „Es ist wie bei den Menschen“, sage ich, „viel Arbeit, eine endlose Plackerei von Nestbau, Ausbildung bis Futterbeschaffung, und sobald sie ausfliegen bleibt nur ein leeres Nest und Scheiße zurück.“ Regula sagt nur: „Gut, dass wir beide keine Kinder haben.“
Nun, in der Zeit nach den Zaunkönigen, beginnen die Luftkämpfe der Kolibris. Lavendel und Glockenblumen wetteifern mit ihrer Blüte. Die Luftakrobaten lieben unseren Hof und fliegen Schein-Gefechte über unseren Köpfen. Es ist schon herrlich, einfach einmal Zuhause zu sein. Alle unsere Fotoreisen für dieses Jahr sind nun verschoben oder abgesagt worden; nur ganz wenige lokale kleine Workshops sind geplant. Unsere Ami-Freunde erhängen sich fast vor lauter Frust, denn sie können nicht reisen und müssen zu Hause bleiben oder allenfalls kampieren gehen. Während wir die Stille und das Stillstehen genießen, wollen sie genau das Gegenteil. „Das menschliche Hirn arbeitet mysteriös“, denke ich: Kaum kann man etwas nicht haben will man es umso mehr. Still herum zu sitzen war noch nie eine amerikanische Stärke. Es muss dauernd was los sein, Bewegung, Aktion, irgendetwas muss sein, auch wenn es nur ein Schwätzer im Fernseher ist.
Wir sind gerade sehr zufrieden. Unser Haus ist so sauber wie noch nie, die Fensterrahmen sind frisch gestrichen, die Autos gewaschen und das Holz gehauen. Die liegengebliebenen Bilderfluten sind gebändigt, kalibriert und sortiert. Viele neue Bilder liegen in meinen Agenturen weltweit verteilt und warten darauf, gekauft zu werden. Wir haben uns sogar erlaubt, aus reinem Spaß, in die Berge von Washington State zu fahren um Blumen zu fotografieren. Ich, an Blumen weniger interessiert, habe mich sogar hingekauert und ein Stativ benutzt. Wir sind gewandert nur „aus Spaß“ und manchmal sogar ohne ein brauchbares Bild zu machen
.
Es gab jedoch auch einige wirklich tolle Bilder von Blumenwiesen und thronenden Vulkanen, von Wasserfällen und mit Moos beschichtetem Ur-Hölzern. Dabei kamen neue Ideen für unsere kommenden Fotoreisen im Jahre weiß der Geier. Die wenigen Leute, die auch auf den Wegen waren, wichen uns aus oder setzten sich gleich Schutzmasken auf. Wir taten dasselbe. Statt einem freundlichen „hi how are you“, wie das so üblich ist, winkt man sich nur zaghaft zu und stolpert weiter.
Als wir dann von ein paar Tagen wild romantischen Kampierens in den Bergen nach Hause fuhren, hielten wir bei den Panther Falls nördlich des Columbia Flusses an. An diesem abgelegen Ort wimmelte es jedoch erstaunlicherweise von unmaskierten Amis. Es war ein Ameisenhaufen lokaler Rednecks. An Wandern war nicht zu denken bei den vielen Leuten. Also kampierten wir gleich dort, machten die Türe zu und tranken ein Bier.
Am kommenden Morgen kletterte ich dann ganz früh in die Schlucht zu den Fällen. Niemand war da, nicht einmal ein Eichhörnchen ließ sich blicken. Es war sagenhaft. Der Panther Creek bahnt sich einen Weg durch den gemäßigten Regenwald, und die Wasserfälle könnte man nicht fotogener gestalten. Man wandert zu einem mit Holzzaun abgesicherten Aussichtspunkt, geht an dem großen Schild mit der Aufschrift “ Bitte nicht weitergehen“ vorbei, ignoriert das komplett platt getretene Ufer und staunt. Der Bach läuft über herrliche Moospolster, sammelt sich in Becken und stürzt dann weiter in die Tiefe der Schlucht. Ein Kletterpfad, wie gemacht für schwindelfreie und trittsichere Fotografen, führt in die Tiefe.
Dort unten hat man den besten Blick und wird sich erst der Größe dieser fantastischen Wasserfälle bewusst. Hier hin schaffen es zum Glück auch die wenigsten Leute, weshalb die Ufer noch intakt sind.
Ich mache meine Bilder, schraube den Polarisationsfilter auf und belichte lange, um das Wasser weich wiederzugeben. Es ist angenehm kühl hier in der Schlucht und ich bin so vertieft in den Augenblick, dass ich meinen Hunger fast nicht bemerke. Dann aber meldet sich ein Grollen in meinem Magen und ich denke an den Cappuccino und die frischen Scones, die mich oben im Camper erwarten. Deshalb mache ich mich auf den Weg nach oben ins Morgenlicht zu meinem Frühstück und Regula.
Christian Heeb meint
Hi Bodo, das war hauptsächlich wegen dem Polarisations Filter. Der sättigt die Farben und reduziert die Reflektionen auf den Blättern. Fotografiert mit der D850 RAW. Im Plug in von Photoshop mit Adobe Landschaft Profil bearbeitet. Da kann man die Kontraste, die individuellen Farben etc. anpassen. Manchmal nehme ich dazu das Tony Kyper Programm. Hier aber nicht. Ein lieber Gruss Christian
Bodo meint
Hey Christian, könntest du etwas zur Nachbearbeitung des Panther Creek Falls Bildes schreiben? Das Bild kommt sehr schön plastisch mit den satten Farben ‚rüber.
Grüße Bodo