
The Grumpy Traveler
Christian Heeb Writer/Photographer
Stories from the road without the bullshit. No, I will not tell you what my favorite bag is and my mission is not, to share the beauty of our world. I have no van, no dog and I am no digital nomad. World peace will never happen. But I hope you get some laughs and will think before you hit the road …
Ich sah sie schon von weiten, die Touristen, wie sie uns am Strand von El Teso entgegenkamen. Die Bucht, dort, wo die heißen Quellen liegen, war heute wie leer gefegt. Ein paar Pelikane dümpelten gelangweilt auf dem glattgebügelten Wasser vor sich hin. Wir liefen weiter nach Süden und nun sah ich sie etwas genauer. Schneeweiße Beine. Füße, die in gesunden Badeschlappen steckten. Sonnenhüte, die so aussahen wie Hüte, welche Mütter ihren Kindern aufzwangen und die sonst nur Briten über achtzig trugen. Die Frau hatte ein Baby auf der Brust. Es steckte in einer Art Trage aus Naturfasern, wahrscheinlich aus umweltgerechter und Menschen achtender Produktion und war sicher 100 Prozent abbaubar. Es war ein junges Paar, noch keine dreißig. Sie trugen Papierkaffeebecher mit Plastikdeckeln aus dem Kaffeeladen im Dorf mit sich, so wie das in den gängigen Hollywood-Filmen vorgemacht wurde. „Do you schpeak English?“, fragte die Frau. Ich nickte mit dem Kopf und der Mann sagte: „Where is zee hot water?“ Ich antwortete auf Deutsch: „Etwa 50 Meter weiter den Strand hoch, da wo die Steine sind.“ „Ach Sie sprechen auch Deutsch“, sagte die Frau und so ging es, bis wir uns verabschiedeten. Das Paar mit Baby und Gesundheitsschuhen ging nach Norden und wir zurück zu unserem Haus am Meer. „Verdammte Condor“, sagte Regula. Seit sie nach Cabo flog, sah man mehr Leute aus Deutschland und der Schweiz und kürzlich drängelte sich sogar eine Französin im Laden vor. „Scheiß Condor“, sagte ich zur Bestätigung.

Wir sprangen auf unsere SUP-Bretter und paddelten über das stille Wasser der Bucht. Mindestens 100 Pelikane schaukelten auf dem glasklaren Wasser und träumten ihre Pelikanträume. Es wimmelte von kleinen Fischen im Wasser. Wahrscheinlich warteten die Pelikane, bis sie groß genug waren, um sie zu essen.
Draußen im Kanal schwammen Delfine. Sie kamen uns entgegen. Es waren dreißig, die nun vorbeischwammen. Man hörte sie Luft holen, bevor sie wieder abtauchten. „Ein mexikanischer Traum“, sagte ich zu Regula, die neben mir paddelte. Am Vortag waren zwei Buckelwale etwa 50 Meter vor unseren Brettern hochgesprungen. Das Meer war voll von Leben. „Da stehen sie“, sagte sie und zeigte mit der Hand auf eine Gruppe von Menschen mit Hunden, die bei unserer gewohnten Anlegestelle am Resort von Mr. Bill standen. „Die warten auf dich“ Am Vortag hatte ich einem Hundebesitzer gesagt, dass wenn ich seinen Hund noch einmal im Wasser erwische, wie er versucht, einen Kormoran zu beissen, würde ich ihn, den Hund, eigenhändig ersäufen. Als ich ihm noch sagte, er soll den Hund an die Leine nehmen, tat er das und haute ab. Wahrscheinlich hatte er Verstärkung geholt und jetzt warteten sie auf mich.Ich packte mein Paddel etwas fester und versuchte mich an alte Judogriffe aus meiner Jugend zu erinnern. Um mich aufzuheizen, dachte an Trump und die Republikaner. Ich gab mir keine Blöße und landete direkt da, wo ich immer landete, also direkt bei den Hundeleuten. Es waren Touristen, freundlich sogar. Sie winkten. Ein Hund kam zu mir, wedelte mit seinem Schwanz und leckte meine Füße. Ich warf Regula einen undeutbaren Blick zu, nahm unsere Bretter und trug sie hoch ins Resort.
Oben im Haus machten wir Cappuccinos und setzten uns auf die Veranda. Anfang März ging bereits die Balzzeit der Vögel los. Die Tauben gurrten, die Kaktuszaunkönige krächzten und die Wachteln fiepten unten im Gebüsch beim blühenden Wüstensalbei. Selbst der rote Kardinal trällerte und ab und zu kam der Gila Specht, nickte pausenlos mit dem Kopf und pfiff. Die Finken erzählten ganze Geschichten. Es war herrlich.




„Hola!“, rief einer. Es war Edgar, unser Mann für alles. Er nahm einen Kaffee und setzte sich. Er war in reflektierender Stimmung, denn sein Bruder war vor einem Tag tot umgekippt. „Herzschlag.Tot, ich hatte gerade noch kurz zuvor mit ihm telefoniert“ sagte er und schüttelte den Kopf. „La Vida esta corta“ sagte ich.
„Verdad mi amigo“, antwortete er, immer noch den Kopf schüttelnd.
„Gehst du zur Party am Dienstag?“, fragte ich ihn. Er schaute mich fragend an.
„Bei Billy „sagte ich. „Ich bin nicht eingeladen“, sagte er und nahm einen Schluck Kaffee. „Oh“, sagte ich.
„Ich war letztes Jahr.“, kam von Edgar. „Ich ging, aß, trank und ging wieder. Es waren unglaublich viele Leute da.“ Er verzog sein Gesicht.
„Ich weiß nie, was ich reden soll“, sagte er. „Sie reden nur über Sport. Wie war der Wind bei Dir heute?“ „Klasse, ich nahm Segel Nummer 4!“ „ich nahm die 3 . Der updraft war genial“. Sagte Edgar grinsend.
„Ja“ sagte ich “ oder über biking , jumping. What cool jumps they did.“ „Oh my god.“Edgar konnte ein paar Brocken English die er aufgeschnappt hatte. Oh my God war einer seiner Lieblingsausdrücke.
Verdammte Gringos, sagte ich im vollen Bewusstsein auch einer zu sein.“Si, Pinche Gringos „antwortet Edgar und wir beide lachten.

Es war der Beginn unserer Fotoreise mit Kunden. Regula hatte uns ein kleines Strandresort gebucht, das noch wie ein Relikt aus der Vergangenheit zwischen hochmodernen gigantischen Hotelburgen dahin träumte.
Es war alles veraltet, aber es hatte einen urigen Charme,der wohl bald den Baggern zum Opfer fallen würde. Hinter den Strandhotels hatte es viele Restaurants, die aussahen, wie sie alle aussahen an solchen Orten. Internationale Küche. Fish and Chips, Pizza, Hamburger, zu Tode gegrillter Fisch. Verwässerte Drinks zu Höchstpreisen. Ich fragte einen der Türsteher ob es hier irgendwo auch mexikanisches Essen gäbe. „Nein, da musst, du in die Innenstadt fahren Kumpel” sagte der Mann lachend.
Der Tag fing gut an. Ein wolkenloser Himmel wölbte sich über der Landstraße, als wir mit unserer kleinen Gruppe nach Norden fuhren.
Sie war klein, da wir drei Leute aufgrund von: „I am too old for this shit.“, ausgeladen hatten. In der Tat hatte ich mit meinen 62 Jahren keinen Bock mehr, mich mit anspruchsvollen narzisstischen Amateurfotografen herumzuschlagen. Wie Regula sagte: „Die können uns gar nicht genug zahlen, sodass wir sie mitnehmen.“
Beim verschlafenen Ort Santiago bogen wir auf eine sandige Piste ab und fuhren in Richtung der Sierra Laguna einem wasserreichen Wüstengebirge.

Vor zwanzig Jahren mussten wir noch die Schlucht hochwandern, um zum Wasserfall und den darunterliegenden Becken zu gelangen. Nun konnte man bis zu einer kleinen Rancho fahren und dort parken, Eintritt bezahlen, etwa 6 US-Dollar und wenige Meter zum Wasserfall gehen. Es gab jetzt auch Toiletten, ein Restaurant und einen kleinen Streichelzoo. Mexikaner sind gute Geschäftsleute.
Ein steiler Klippenweg führte zum Becken unterhalb des Wasserfalls, und als wir ankamen, saß dort ein junger Mann in Badehosen und starrte auf sein Handy. In seinen Ohren steckten Apple Pods, Pads oder wie immer man diese hirnzemürbenden Plastikdinger nennt. Neben ihm stand ein Sonnenschirm. Ich dachte, wie kann man nur herkommen und dann auf sein Handy starren.
Der Wasserfall und die umliegenden Pools bildeten eine kleine grüne Oase mitten in der steinigen Wüste.
Man konnte hier herrlich baden, solange noch keine Tourgruppe aus Los Cabo eingetroffen war. Alles erinnerte an einen Wadi in Arabien.
„Schön“, sagte Regula. „Ja immer noch“, antwortete ich und klaubte eine Tecate Bierdose aus dem Gebüsch. Es war erstaunlich sauber hier. Die Kioskleute räumten anscheinend auf, aber es gab immer Schlaumeier, die Dosen im Gebüsch versenkten. Mexikaner sind arbeitsame, freundliche Menschen, aber auch große Schweinehunde. Sie funktionieren wie Abfallschleudern und hinterlassen eine Spur der Verwüstung, wo immer sie sich bewegen.
Nachdem Edgars Leute bei mir im Garten etwas gepflanzt, gebaut oder geschnitten haben, muss ich nachher immer die Plastikflaschen, Schokoriegelpapiere und Zigarettenstummel einsammeln.
In der Mitte der Halbinsel in Guerrero Negro (Schwarzer Krieger) tankte ich einmal neben einem französischen Panamericana-Reisenden auf. „Merde“ sagte der Franzose. „Es ist unfassbar, wie schmutzig hier alles ist.“ Ich fragte ihn, wohin er gehe. „Panamericana Naturelement. Mexique et le rest.“ antwortete er.
Ich sagte: „Na dann, viel Spaß wünsche ich. Im Vergleich zu da, wo du hingehst ist es hier sauber.“ Er schaute mich an, mit hohem Kinn, typisch französischer Überheblichkeit und sagte bestimmt:” C‘est ne pas posible.“ Ich rief ihm:“ Have Fun!“zu, stieg in mein Auto und fuhr grinsend davon.
Edgar hatte uns ein Panga Fiberglas Fischerboot in Puerto Chale reserviert. In der Lagune tummeln sich im Winter die Grauwale. Vor wenigen Jahren war der Ort nahezu unbekannt, und lediglich ein paar Fischerfamilien lebten dort an der kargen Küste.
Als wir dieses Jahr ankamen, brummte der Tourismus. Herden mexikanischer und amerikanischer Touristen wurden in Schwimmwesten gesteckt und auf Boote verfrachtet.
Es sah aus wie in einer Dosenfabrik. Die Mexikaner trugen große in China gefertigte Sonnenhüte und sahen in ihren Westen aus, wie Burritos, die zu platzen drohten. Die Amerikaner klammerten sich alle an ihre Plastikwasserflaschen, als ob eine Durchquerung der Sahara geplant war. Es gab ein paar graumausige Deutsche, die dank der roten Schwimmwesten immerhin etwas Farbe im Gesicht trugen, und ein paar Touristen unbekannter Herkunft sowie zwei Kanadier, die in Ahornflaggen gehüllt waren, um bestimmt nicht mit Amerikanern verwechselt zu werden. Einige versuchten sich in unser Boot zu setzen, was ich sofort unterband, denn wir hatten ein ganzes Panga nur für uns gebucht. Wir wollten keine kreischenden Touristen, die uns ihre großen Hüte zwischen die Wale und unsere Kameras schoben.





Eine Frau schaute mich hasserfüllt an, aber sie wurde von einem resoluten mexikanischen Guide in das Boot mit den anderen Burrito-Touristen gedrängt. Der Waltourismus hatte extrem zugelegt, was die Wale nicht zu stören schien. Sie kamen noch immer an die Pangas, kratzen sich und ließen sich sogar streicheln. Es ist einzigartig auf der Welt und fantastisch zu erleben, auch wenn ich grundsätzlich dagegen bin, wilde Tiere zu berühren. Wir hatten Glück, denn das Meer war ruhig und wir bewegten uns zwei Stunden lang in Sichtweite der großen Meeressäuger. Weiter nördlich in Guerrero Negro würden wir dann mit Marios Tours dasselbe tun und noch mehr Wale sehen, allerdings für den doppelten Preis.
In Ciudad Constitution hatten wir uns mit der Gruppe ins Hotel Oasis gebucht, wo wir nach unserem Walabenteuer übernachteten. Die Stadt ist ein Verwaltungszentrum am Highway, wo man in der Regel nur durchfährt. So ein richtiges Durchfahrkaff mit überdurchschnittlich vielen Coffee-Shops. Das Hotel war sauber, komfortabel und preiswert wie das Essen im Ort, wo man keine Touristen trifft und nur Spanisch gesprochen wird. In der Regel isst man in Mexiko gut und preiswert, da wo die Mexikaner essen und wo die Kellner kein Englisch sprechen. Der Preisunterschied ist gravierend. Man kann einen Fish Taco essen, den man auf Englisch bestellt, umgeben von weißköpfigen Touristen oder denselben, besser gewürzten Fish Taco für 5 Dollar auf Spanisch bestellt , umgeben von Mexikanern. Es ist auch hier so wie überall. Leute, die keine Ahnung von gutem Essen haben, brauchen einen Guide Michelin, der ihnen sagt, wo man gut und sauteuer isst. Man nimmt den Rat einer Reifenfabrik an. Es sind dieselben Leute, die jemanden brauchen, der ihnen sagt, welcher Wein gut ist und welcher nicht. In Mexiko ist das einfach. Restaurant voller Gringos…lieber nicht, Restaurant voller mexikanischer Familien, nichts wie hin.


In Mulege, einem herrlichen kleinen Oasenort umgeben von einem Meer von Dattelpalmen. Der Mulege Fluss fließt hier in den Golf von Kalifornien. 1702 wurde der wasserreiche Ort von den Jesuiten für eine Mission für die lokalen Cochimi Indianer ausgewählt. Dort vollzog sich dann die übliche Geschichte von Bringung des christlichen Heils zur Versklavung der indigenen Bevölkerung und deren durch europäische eingeschleppte Krankheiten langsame Ausrottung.

Südlich von Mulege liegen einige schöne Buchten und Strände entlang dem Highway 1 direkt an der Bahia Concepcion. Die traumhaften Buchten sind heute im Winter von Wohnmobilen umlagert wie einst die Planwagen der Siedler im Wilden Westen von angreifenden Komantschen Kriegern. Playa Santispac wo eine Sandspitze durch die stille Bucht führt, ist besonders fotogen. Am Abend in Mulege gehen wir zur Flussmündung, wo ein kleiner Leuchtturm steht und es eine Lagune mit Mangroven gibt. Es hat erstaunlich viele Wasservögel und wir sehen verschiedenste Reiher, Löffler, Pelikane und Kormorane. Oben am Hang sitzen Truthahngeier auf Kakteen wie Gruppen von Vampiren, die auf die Nacht warten. Unsere Vogelfotografen sind glücklich und knipsen dahin. Rund um die Vogeloase knattern laute mexikanische Kleinlastwagen, brummen Jugendliche mit Motorrädern und Familienväter fahren mit lauter Norteno Musik ihre Familien aus. Mexikaner haben keine Befindlichkeiten, wenn es um Lärm geht. Auch der Abfall, der hier überall liegt, scheint sie nicht zu kümmern. Bierdosen schwimmen zwischen Pelikanen, Plastiktüten kleben an Mangroven und ausgediente Autoreifen ragen aus dem Sumpf. Viva Mexiko, sagte Oskar mein alter Spanischlehrer in San Miguel de Allende. „Mexiko ist ein reichhaltiges Land.“ Sagte er. „Aber die Leute sind dumm und machen alles kaputt.“ In den dreißig Jahren, seit ich dort war, hat sich im ökologischen Verständnis des Durchschnitts Mexikaners so wenig geändert wie das des durchschnittlichen Schweizer Bauern.
Auf der Rückfahrt fahre ich voll in eine nicht gut gekennzeichnete Einbahnstraße und noch bevor ich umkehren kann, kommt mir eine Polizistin in blitzblanker Uniform entgegen. Ich lasse die Scheibe herunter und sage zu Ihr:“ Una Vuelta no?“ Zu meinem Erstaunen sagt sie nur: „Ja bitte“ und lässt mich gehen. Im Auto glaubt es keiner, dass es sowas in Mexiko gibt. Ich sage: „Nicht jeder Polizist hier ist korrupt.”
In San Ignacio der netten kleinen Missionsstadt mit der wohl schönsten und am besten erhaltenen spanischen Mission, bleiben wir eine weitere Nacht. Es ist auch eine Dattelpalmen-Oase, und hier hatte ich Anfang der Neunzigerjahre im Auftrag des Globo Magazins einige meiner besten Baja Bilder gemacht. Der Ort sieht fast noch aus wie damals, aber nun gibt es mehr Restaurants und dauernd donnern große Gruppen von Motorradfahrern an, die sich gegenseitig vor der schönen Kirche fotografieren. Der verschlafene, von der Welt vergessene Ort ist zum Touristenkaff verkommen, aber am frühen Morgen ist noch niemand da, außer einer mexikanischen Restaurantbesitzerin, die uns bewirtet. Huevos Rancheros mit Bohnen, Toast und Kaffee für eine Handvoll Dollar. Sie spricht nur Spanisch und noch regt sich kein Gringokopf. Man fühlt sich zurückversetzt ins alte Mexiko, wo die Uhren noch langsamer liefen. Ein alter Mann wischt mit einem Besen den Dorfplatz, und ein Hund schläft ungeniert mitten auf der Straße.
Eigentlich wollte ich keine Fotoreise Baja California machen, denn ich kannte die Halbinsel zu gut und wusste, dass es logistisch schwierig war, hier etwas zu planen. Die Strecken waren riesig und oft lagen die tollen Fotospots dort, wo es kein Hotel gab. Einige unserer Kunden hatten mich überredet, und nun waren wir da. “Flip-Flop” sagte Regula.
Für Landschaftsfotografen ist die Gegend rund um den winzigen Ort Catavina ein Must-see-Spot. Das Tal der Kerzen ist eine gebirgige Wüstenlandschaft voller Felsen und Kakteen, darunter die rüsselartigen Boojum Bäume, eine Kakteenart der Gattung Ocotillios. Die Landschaft scheint eines Fiebertraumes Dalis entsprungen zu sein. Das einzige Hotel im Ort wird von großen Tourbussen und von Mottoraddfahern besucht und eine Reservation im Voraus ist unbedingt nötig. Draußen auf den Kakteen saßen Raben und beobachteten die Motorradfahrer. Geier hockten etwas weiter weg auf den Kandelaber-Kakteen hinter dem Haus und hofften darauf, dass einer der greisigen Bustouristen einen Herzschlag erlitt. Die Haupteingangstüre in die Lobby klemmte und jedes Mal, wenn jemand sie benutzte, gab es ein kratzendes Geräusch. Es schien niemanden zu kümmern.
Der mexikanische Kellner im Restaurant machte ununterbrochen Witze, konnte wahrscheinlich nur so seinen Beruf ertragen, denn der Ort Catavina ist umgeben von Wüste. So wie ein Roadhouse im australischen Outback, und jeden Tag sind neue Kunden da, die gleich aussehen wie die vom Vortrag. Er kam und fragte“: mas whiskey?“ was bei ihm mehr Kaffee hieß. „No Tequila“, antwortete ich und alle lachten obwohl es nicht lustig war. Hinter uns saßen drei junge Motorrad-Gringos. Einer von ihnen redete ununterbrochen in voller Lautstärke. Es ging um Motorräder und wie man sie wartete. Es ging um PS und Schrauben und Ölfilter und Pedale, es hörte nicht auf. Er konnte ja nichts dafür, dass er so eine laute Stimme hatte. Sie redeten von ihren Frauen und dann wieder über raue Pisten und Motorradfahren.
Ich dachte, deren Frauen genossen gerade in vollen Zügen, dass ihre Männer weg waren, hofften wahrscheinlich, dass diese in der Wüste verloren gingen und sie die Lebensversicherung kassieren konnten.
„Mas Whiskey?“ kam von Juan. „Si gracias.“ Ich wollte mehr braunes, kaffeeähnliches Wasser für meinen Nescafe den ich mitführte. Mexiko baut Kaffee an, etwa im Chiapas oder an den Bergflanken bei Vera Cruz am Pico de Orizaba aber hat keine eigentliche Kaffeekultur entwickelt. Starbucks artige Ketten in den Städten servieren nun auch in Plastik verpackte Milchkaffee, überteuert wie in den USA. Wir blieben zwei Nächte in Catavina und fotografierten die Landschaft, die Sterne in der Nacht und prähistorische, etwa 10 000 Jahre alte Indianermalereien der Vorfahren der Cochimi Indianer.


Auf dem Weg dorthin begegneten wir einer Gruppe Schweizer und Deutscher. „Scheiß Condor“ dachte ich, aber die Leute waren damit beschäftigt, sich über die eigenen Leute lustig zu machen. Eine Frau hatte Lederstulpen, die man gegen Schlangenbiss und Jolla Kakteen trägt, was die anderen zu Spott verleitete. „Ich weiß nicht, warum die Europäer immer solche Ärsche sind“, sagte ich zu Regula, die nur den Kopf schüttelte.
Von San Jose del Cabo sind es 1100 Kilometer bis nach Catavina und wir mussten alles wieder zurückfahren. Zum Glück gibt es noch Loreto, die Touristenoase am Golf von Kalifornien. Dort, wo die Spanier im Jahre 1697 die erste Mission auf der Baja California Halbinsel gründeten, ist heute ein beliebter Touristenort. Die Strecke entlang der Bahia Concepcion südlich von Mulege ist landschaftlich besonders reizvoll, und die Berge rund um Loreto wunderschön. Bizarrer geht es kaum und so machen die Landschaften die endlos scheinenden Strecken erträglich.
„Oh I just love Loreto“ hatte meine Freundin Kathy in Bend gesagt. Alle liebten sie Loreto. Die Amis waren wild auf den Ort, denn er war sauber, hatte das, was sie als Mexiko Flair kannten, und war für sie gebaut worden. Es war sozusagen von den Tourismusstrategen der mexikanischen Regierung kreiert worden. Denn die vorgelagerten Inseln, die Bucht und die Berge waren traumhaft schön und da hier die Besiedlung der Halbinsel mit den Missionaren angefangen hatte, war also auch historisch gesehen ideal.
Wir waren dabei, die schöne Missionskirche zur blauen Stunde zu fotografieren, als eine alte Amerikanerin zu uns sagte: „Das hier ist das beste Restaurant der Stadt“, und sie zeigte auf ein Restaurant neben der Kirche. Ich sah Holzstühle, bunte Tischdecken und eine Heerschar von Gringos an den Tischen sitzend. Alle hatten Margaritas vor sich und das Lied – Guanta La Mera -dröhnte aus Lautsprechern. Es sah aus wie in einem mexikanischen Restaurant in Dull Ass Texas und wahrscheinlich war die Salsa fad wie Schuhwichse. Die Kellner sprachen sicher alle Englisch und die Enchiladas versanken in einer schmierigen, Käsesoße und die Tacos waren frittiert. „Guanta La Mera“, sagte ich zu Regula und schüttelte den Kopf. Gleich nebenan gab es ein hippes Restaurant. Während im volkstümlichen Mexiko Restaurant vorwiegend Pensionäre und ihre rosarot gefärbten Frauen tummelten, saßen hier die coolen Leute. Leute, die sich herausgeputzt hatten. Schwarze Pumps bei den Damen und blaue Edelturnschuhe bei den Herren. Man trank überteuerten Wein aus großen Gläsern und wartete auf den sündhaft teuren Fisch, während man sich in erster Linie mit dem Handy beschäftigte. Statt – Guanta La Mera – lief Blubber Lounge Musik.
Wir sassen zwischen Amerikanern und tranken Bier. Ich versuchte, Mexiko Feeling zu kriegen, aber es kam nicht auf. Es war alles wie im Epcot Center von Disneyland. Hinter uns schrillte das Lachen einer Betrunkenen wie Kreide auf einer Schiefertafel. Ein kurzbeiniger mexikanischer Hund mit traurigen Augen hob den Kopf und schaute kurz auf, bevor er weiterschlief.
Unsere Tour ging zu Ende und hatte Spaß gemacht. Besonders dort, wo man noch mit Mexikanern, ohne Englisch-Sprachkenntnisse, umgab. Es wurde Zeit, die Tour zu beenden.


Wieder in unserem Haus in El Sargento, die Leute glücklich und zufrieden abgereist, sassen wir im Hof. „Uff“, sagte ich zu Regula,“ wieder eine Reise erfolgreich erledigt”. Es war immer beruhigend, wenn es gut ging und alle wohlbehalten nach Hause flogen. Der Oreole sang sein Lied und die Tauben gurrten. Regula mahlte Kaffee. Die Vegetation wurde spärlicher, die Büsche verloren ihre Blätter. Es war staubig und bis zum Eintreffend der Stürme im Sommer gab es kaum Aussicht auf Regen. Trotzdem sprießten die Blumen der Kakteen. Knospen traten hervor an den Kandelaber Kakteen, den Cardones und unserm Kaktus aus Peru, Cereus jamacaru den wir neu gepflazt hatten, ebenso. Der grosse Palo Verde Busch neben unserer Gast Casita war übersät mit tausenden kleinen gelben Blüten und die Bienen surrten so laut, man hörte sie sogar im Haus.
Nachts wehte zuckersüßer Blumenduft durch die Luft. Die Vögel ließen sich nicht beirren, flatterten, bauten Nester und sangen ihre Lieder. Die Gringos ließen nach. Es fühlte sich an, als ob die Flut langsam zurückging. Mitte März und April waren schon immer schön warm und eine angenehme Zeit für uns gewesen. Als wir noch arbeiteten, kamen wir meist in diesen Monaten hierher in unser Haus, um Urlaub zu machen. Die Sonne ging nun bereits nahe der Cerralvo Insel im Nordosten auf. Ich wachte größtenteils kurz zuvor auf und sah der roten Kugel zu, wie sie sich aus dem Wasser hervortat. Der Organ-Pipe-Kaktus bildete immer einen netten Scherenschnitt davor. Der Strand vor dem Resort von Mr. Bill war an diesem Tag wie ausgestorben. Nur Juan rechte wie jeden Morgen den Sand am Eingang zum Hotel. Als wir die Bretter ins türkisfarbene Wasser einschoben, waren wir umzingelt von tausenden kleinen Fischen. Sie verdunkelten das Wasser und es dauerte keine Minute, da knallten schon Pelikane wie Bomben ins Wasser neben uns. Am Vortag war es ein großer Schwarm von Thunfischen gewesen, die zu groß waren für die Pelikane. Heute hatten die Fische anscheinend die richtige Größe und die Pelikane nutzten ihre Chance.
Wir paddelten hoch zum ruhigen Strand, wo es Warmwasserquellen gab. Mehrere Kormorane flogen wie Cruise-Missiles an uns vorbei. Ihre gelben Schnäbel leuchteten im Morgenlicht. Wir schauten ihnen zu, wie sie nach Norden donnerten. Es knallte wieder rund um uns und Pelikane schossen ins Wasser. Margis Hund schaute den auftauchenden Vögeln ängstlich zu. Die Pelikane ignoriert uns. Schoben den Fisch im Schnabel zurecht, hoben den Kopf und man sah, wie der Hals sich verdickte und der zappelnde Fisch im Magen endete. Ihre Vogelaugen schauten uns misstrauisch und kalt an. Sie trauten uns nicht und hielten genug Distanz, um beim geringsten Grund wegfliegen zu können.
“Mardi Gras” sagte Regula “lets go.” Es gab keinen Ausweg. Wir waren Eingeladen und mussten gehen. Edgar war froh, nicht dabei zu sein. Ich packte missmutig eine riesige Tecate Bierdose ein, die ich noch im Kühlschrank vorfand, und wir liefen los. Wahrscheinlich waren wir die Einzigen, die zu Fuß gehen, dachte ich.
Regula war guter Dinge und wir liefen die Staubstraße zum Haus, wo die Party stattfand. Es waren gerade fünf Minuten. Oben an der Straße stand eine Ansammlung von ATV und Jeeps. Baja Autos. Viele hatten South Dakota Nummern. Der Staat machte es leicht und billig, eine Bescheinigung zu kriegen, auch wenn man da nicht wohnte. “Pinche Gringos“ schoss es mir durch den Kopf.
Seltsam! Es war keine Musik zu hören. Ich dachte an Mardi Gras in New Orleans, an Zydeco Bands und Dunkle Männer mit Posaunen. Louisiana war immer cool. Man konnte am Sonntagmorgen Musik hören, tanzen und Bier trinken. Zwar nur bei den Cajuns, aber immerhin. Nichts war zu hören. Kein Zydeco, nicht einmal eine Norteno Band oder eine Los Lobos CD.
Ich grummelte vor mich hin. „Ich frage mich, wer heute der Vorzeige Mexikaner sein würde“. Meistens gab es einen. Edgar war nicht eingeladen. “Wahrscheinlich Toni” dachte ich. Als wir eintrafen, Fashionable late, war das Buffet schon eröffnet. Überall saßen alte Leute in abgeschabter Baja Kleidung. Sie redeten wahrscheinlich über die Windstärken und ignorierten uns. Ich klammerte mich an mein Bier und sagte zu Regula: „Lass uns gleich vorbeigehen und dort wieder hoch und weglaufen.“ Über den Sand und in die Berge. „Komm schon, kam es zurück“ und wir liefen zum großen Palmwedeldach wo sie alle saßen.
Bill kam uns entgegen, mit einem Teller und einem Bier in der Hand. Er nickte uns zu und verschwand im Inneren. Toni kam auch mit einem Teller in der Hand angelaufen. “Hola Amigos“. Der Vorzeigemexikaner, dachte ich. “Buena comida” sagte er. “Si pero carne no?”antwortete ich, der Vegetarier, Pescetarier und Tony sagte“ si pero se hay arroz.” Dann verschwand er, ging im Gewühle der Gringos unter wie der Bösewicht im Schatz am Silbersee im Treibsand. Es war wie, wenn bald das Essen knapp würde. Die Frauen plapperten, die Männer aßen. Der Hund unserer Freundin stand da und versuchte nicht zertrampelt zu werden. Er ist klein, dünn und sieht aus wie eine große Ratte, hat aber ein süßes Gesicht. Ich wollte weg. Regula sah die Gastgeberin und wir gingen zu ihr. Sie stand hinter Töpfen, voll mit dampfender Jambalaya, und sah müde aus. Der Gastgeber war unten bei der Bar und erkältet. „Fast hätte er abgesagt, er hat eine Erkältung“, sagte sie. Ich dachte, dass es keine gute Idee wäre, an die Bar zu gehen. Ansteckung! Er hätte am Mittag fast abgesagt und nun war er froh, wenn es vorbei sei. Sie taten mir leid. Ein paar Gringos kamen, um die Teller nachzufüllen oder den Müll zu beseitigen. Ich klammerte mich an mein noch nicht geöffnetes Bier wie ein Ertrinkender an einen Rettungsring. Regula machte Small Talk, ich schaute mir das Haus an. Sie hatten ein tolles Haus. Geschmackvoll, mit tollen Gemälden der Besitzerin. Es war ein schönes Haus, wenn es nicht voller Leute wäre. Ich sah niemanden mehr, den ich kannte. Oder vielleicht doch, denn sie sahen alle gleich aus. In erster Linie alt, von der Sonne verbrannt, abgeschabt, identisch. Waren wir schon so alt? Gott sei Dank hatte ich den Spiegel heute früh ignoriert. Ich fühlte mich richtig jung und fit, wenn ich mir diese Leute ansah. Die Gastgeberin sagte, sie hätte nicht gedacht, dass sie uns heute sehen würde. „Ich auch nicht“ gab ich zurück. Es hatte sich herumgesprochen, dass ich Partys hasste. Die Leute verstanden das. Sie wussten nicht, dass ich im Grunde Leute nicht ausstehen konnte, aber das war eine andere Sache.
Wir schauten nochmal auf das Gewusel und liefen los. Regula folgte mir wortlos und wir gingen die fünf Minuten schweigend zu unserem Haus. Es war totenstill und man konnte die Brandung hören, wie sie die Steine am Ufer zermahlte. Die Vögel waren schlafen gegangen und eine kleineFledermaus sauste unter unserm Palmwedeldach hin und her, aß Insekten und fiepte leise. Ich holte ein Glas und öffnete die Bierdose. Ein Bier am Abend tat immer gut.
„Es war ein netter Abend“, sagte ich zu Regula aber bekam nur ein Seufzen zu hören.

Ende April wurde es Zeit, nach Norden zu fahren. Nicht, weil es in Mexiko zu heiß wurde, sondern weil wir Ende Mai aus den USA in die Schweiz
flogen. Es war das erste Mal in 30 Jahren, dass wir etwas angespannt waren und nicht gerne in die USA reisten. Trump war König und entsprechend erledigt war das amerikanische Imperium. Jedermann konnte sich jetzt dem Gesetz entziehen, wenn er es sich leisten konnte. Während hier in Mexiko die Eidechsen, Geckos, Schlangen aus ihrem Winterschlaf kamen, die Vögel ihre Nester bauten und von Dächern trillerten, verhaftete man in den USA wahllos Leute, die man als Verbrecher bezeichnete und sandte sie in Konzentrationslager.
Frauen, die aussahen wie Barbie Actionfiguren, waren überall, trugen MAGA Hüte und zu viel Make-up. Rassisten in allen Hauttönen hatten Aufwind. Nazis, Klanleute und Fox News Propagandisten waren in der Regierung. Eigentlich hätten wir es wissen sollen. Wir, die USA Fans, die Leute, die dort wohnten oder gerne reisten, die die in Europa in den neunziger Jahren US-Nummernschilder ins Autofenster klebten, die an Country Festivals im Westerwald gingen, Trapper oder Indianer spielten und immer wieder die Route 66 Abfuhren, wie wenn das nicht die ausgebleichte Touristen Kacke wäre, die sie ist, sondern eine Traumstraße. Weggucken, ausblenden und schönreden ging nicht endlos, wie Trump es uns nun bewies. Irgendwann musste man Farbe bekennen, denn nicht jeder ist ein Schweizer Investment-Banker. Irgendwann ist genug und man kann die Dixie Flagge nicht mehr als exzentrisch bezeichnen, und ein KZ ist ein KZ.
Das US-Imperium wackelte schon länger. Unentschieden in Korea, Niederlage in Vietnam und dann der Irakkrieg von George Bush, dem Dümmeren. Immer wenn es arg wurde, kam eine Lichtgestalt, die das Schlimmste verhinderte, Obama, Biden, Clinton, mit oder ohne Blowjob.
Aber eben, wir hätten es wissen sollen, dass es arg enden würde. Rom fiel auch nicht an einem Tag. Gorbi brauchte auch einige Zeit, bis das Kartenhaus zusammenbrach. Die Anzeichen waren alle da. Die Geister von Andrew Jackson, Robert E. Lee, Stonewall Jackson, Henry Ford, Charles Lindbergh und David Duke waberten seit Jahren über das Land und überall standen Denkmäler, die Verbrechern gewidmet waren. Man denke an Amerikas Soft Power Symbole. Marilyn Monroe, eine blond gebleichte, missbrauchte Sex Nymphe, Elvis Presley, der King of Rock ’n’ Roll, ein aufgeblähtes Drogenopfer, tot auf seiner goldigen Toilette sitzend. Bill Cosby, Amerikas favorite Dad ein Serienvergewaltiger, Ronald Reagan, ein Schauspieler und Schönschwätzer, der seine eigenen Lügen glaubte, bis er nichts mehr wusste. Michael Jackson ein pausbackiger süßer Junge, der als gebleichter Freak endete. Clint Eastwood, Stallone, Chuck no talent Norris und allen voran der Marlboro Man. Ein kettenrauchender, todbringender Fake Kuhhirte in Lederhosen. Selbst der Mythos des Cowboys ist auf Lügen gebaut. Vaquero von Vaca = Kuh und Ero = Arbeiter ist ein Lateinamerikaner, dessen Geschichte bis nach Arabien führt und der von Spanien aus die Neue Welt eroberte. Der amerikanische Cowboy ist ein Beduine aus Arabien.
Eigentlich wussten wir das alles. Der Völkermord an den indigenen Stämmen, die Jim Crow Laws im Süden, die geballte Attacke des amerikanischen Kapitalismus auf die Natur. Die Gräueltaten, Bear River, Sand Creek, My Lai, Dresden, Hiroshima, Abu Ghraib. Der Pax Americana, der nach dem Zerfall der Sowjetunion sein wahres Gesicht zeigte und versuchte, zum globalen Imperator zu werden. Die zukünftigen Leibeigenen sich keinen dümmeren Cäsar aussuchen können. Statt des Königs hatten sie den Hofnarren gewählt. Den wahnsinnigen Joker, eine Mischung aus Caligula, Nero und Dr. Evil. Damit passierte jetzt genau das, was sie glaubten, zu verhindern. Der Kollaps der USA oder zumindest dessen Umwandlung zu einer auf dem Kopfstehenden Kleptokratie, geführt von einem Heer von überschminkten MAGA Bimbos und sich selbst überschätzenden Hintern Küssern.




Am 22. April saß ich auf meinem Surfbrett im Meer und schaukelte verträumt vor mich hin. Am Ufer saß eine große Gruppe Pelikane. Sie säuberten ihre Federn oder träumten vor sich hin. Sie genossen, den Strand für sich alleine zu haben. Kein Mensch war zu sehen, nicht einmal ein Hund zeigte sich. Das Wasser war so klar, ich konnte die Fische beobachten, wie sie unter mir schwammen. Bunte Fische, gelb gestreift, getüpfelt in den verschiedensten Formen, schwammen da. Ein Stachelrochen lauerte im Sand. Ich sah seine Form und den Stachel perfekt getarnt unter mir. Es fühlte sich an wie schwerelos, und ich wusste nicht, ob ich oder das Land sich bewegte. Die Stille war komplett. Regula sprang ins Wasser und plantschte sachte im stillen Meer.
Semana Santa, die Osterwoche war gerade vorübergegangen und die Mexikaner, die hier kamen, für ein langes Badewochenende waren alle wieder abgereist. Viele der Gringos, der Hausbesitzer, waren noch vor der Osterwoche nach Norden gefahren. Sie grauten sich vor den Menschenmengen, obwohl diese nur am Strand anzutreffen waren. Sogar die Van-Nomaden waren allesamt ihren Hunden, Surfbrettern, den auf geschwollenen Lippen, Tattoos und Starlink Antennen weggefahren.
„Herrlich“ sagte Regula sie sind alle weg. Nun war Ruhe angesagt, bis im Juli, wenn dann die Sportfischer und Stadtmexikaner für den Sommerurlaub kamen. Es ließ sich gut leben in Mexiko. Wir brauchten kaum Kleider. Abgeschabte Jeans, kurze Hosen, Badehosen und T-Shirts, die ewig zu halten schienen. Nachhaltig halt. Schuhe hatte ich nur noch für einen Ausflug in die Stadt, sonst gingen wir barfuß oder mit Flip-Flops. Da wir unser Haus ohne Hypothek besaßen und die Steuern tief waren, hätten wir hier selbst mit nur der AHV-Rente komfortabel leben können.
Oben in Bend, Oregon, war es noch immer kalt. Dort, auf 1200 Meter Höhe, kam der Frühling erst Ende Mai. Gerade dann also, wenn es hier langsam zu heiß wurde. Klimaanlage brauchten wir in Mexiko erst im August. August bis Ende Oktober waren heiß und feucht, sodass es für nicht Eingeborene wie uns unangenehm wurde. Deshalb planten wir, entweder in Oregon oder im Chalet in der Schweiz zu sein. Oben in Gringolandia , USA, herrschte Chaos. Russische als DOGE getarnte Oligarchen Söldner zerstörten den amerikanischen Staat von innen heraus. Der Dollar war im Tiefflug und die Wirtschaft dabei, Arbeitsplätze zu vernichten. Statt neuer Stellen würden ohnehin nur neue von KI gesteuerte Roboterwerke installiert werden, aber das wussten die Lohnsklaven noch nicht. Da saß ich nun auf meinem Brett in der Bucht von La Ventana und dachte daran, wie wir vor zwanzig Jahren hier Land gekauft hatten, in dem Gedanken, dass wir vielleicht einmal die USA verlassen müssen. Es war zur Wiederwahl von George Bush dem Dümmeren, wo uns bewiesen wurde, dass die USA wahrscheinlich irgendwann kollabieren würden. So richtig glaubten wir das nicht, aber trotzdem wetteten wir darauf, eine Zukunftsstätte in Mexiko zu haben. Damals besaßen wir noch kein Chalet in der Schweiz.

Jetzt fühlte es sich in Mexiko tatsächlich sicherer an als in den USA. Als Trump zum ersten Mal gewählt wurde, nannte ich ihn Trumpler, frei nach Adolf Hitler, was von den meisten Leuten konsterniert zur Kenntnis genommen wurde. Nun war er zurück und sandte unschuldige Leute in sein Konzentrationslager in El Salvador. Jetzt wussten wir, wie das damals ging, als die Nazis in Deutschland an die Macht kamen und niemand etwas sagte. Als wir hoch zum Haus gingen, schrillte der Ruf eines Gila Spechtes an unser Ohr. Er saß in einem Kaktusloch oben neben einer der weißen Blüten, die um diese Jahreszeit sprossen, und rief nach seinem Partner. Ein scharlachroter Kardinal flog an uns vorbei und noch immer war kein Mensch zu sehen. Das Haus gegenüber war bereits verriegelt und allen und seinen zwei keinen Hunden, die uns liebten, war auch abgereist. Das Meer schimmerte dunkelblau am Horizont und die Palmen unten am Strand wogen sanft im schwachen Wind. Ein paar Fregattenvögel schwebten über dem Resort von Mr. Bill und ich war glücklich.

Endlich waren wir bereit für die Fahrt nach Norden. Das Scotts Oriole Weibchen war froh, dass wir gingen. Es hatte sein Nest genau bei unserem Tisch gebaut, wo wir immer abends saßen. Da sie sich nicht traute, ins Nest zu gehen, solange wir da waren, saß es im Geäst und motzte uns ohne Unterbruch an. Das ging so lange, bis wir unsere Teller nahmen und uns an einen anderen Tisch vorne am Haus setzten. Blöder Vogel, dachte ich, warum muss er unbedingt hier bauen. Ich dachte wieder an Gringolandia und was mich erwartete. Der bösartige Giftpilz war noch immer im Weißen Haus und zerstörte das, was vom amerikanischen Traum noch übrig geblieben war. Das Bildungsministerium sollte aufgelöst werden, 4400 Leute arbeiten für das Ministerium, das Budget war 2023 satte 274 Milliarden und doch wurden die Leute immer dümmer, 18% der Amerikaner waren Analphabeten und 54% auf dem Stand eines Sechstklässlers. Man könnte sich fragen, wo die 275 Milliarden hinflossen und was die 4000 Leute den ganzen Tag über machten.
Ich dachte daran, was es dort nichts gab, worauf ich mich nach sechs Monaten in Mexiko freute. Es gab eigentlich alles hier in El Sargento. Einiges, wie etwa Häagen Dazs Eis, war doppelt so teuer, aber immerhin konnte man es sich leisten. Was gab es also im Norden, was ich vermisste?Chips Ahoy? Donuts? Bagel voller Guar gum und Geschmacksverstärker? Starfucks Coffee? Taco Hell? Pizza Hure? Hookers Bar and Grill? Whole Paycheck aka Whole Foods, Re- Call Joes? Too much of everything Costco? Artisan plastic wrap Brot ? Motels mit dröhnenden Eismaschinen, Coffee-Shops mit Spülwasser Kaffee? Ich musste die Frage eingrenzen. Oregon, was freute mich an Oregon? Die Maultierhirsche bei mir im Garten? Der Geruch nach Wacholder und Zedern? Frischer Lachs aus Alaska? Es gab also doch ein paar Dinge, und es würde sicher schön sein, alte Freunde zu treffen.
Regula hielt mir ihr Handy vor die Nase. Darauf sah ich dank unserer Überwachungskamera in Oregon, wie gerade mehrere Maultierhirsche an den frischen Sprossen unserer Apfelbäume knabberten. Wer mit der Natur lebte, hatte auch die Nachteile. Sie sahen gesund aus, etwas struppig, denn sie verloren allmählich ihren Winterpelz. Die Bäume würden es überstehen, denn sie waren nun so groß, dass die Tiere nur im unteren Bereich Schaden anrichten konnten. Eine Hirschkuh stand mit den Vorderbeinen auf unserem Holztisch und knabberte munter an den Blättern herum. Es war wie mit Kindern, deren Eltern nicht Zuhause waren. Drei Tage später reihen wir uns an der US-Grenze ein. Immer, wenn Mauern gebaut werden, steht das Reich vor dem Niedergang. Die Mauern von Jericho, Hadrians Wall, die Große Mauer Chinas, die Berliner Mauer und nun Trumps Wand. Jericho fiel, die Piken überrannten Hadrians Wall, die Mongolen nahmen China ein, die Berliner Mauer fiel und Trumps würde nie fertig werden und doch stehe ich vor einer Mauer in Mexicali. Man sieht von Süd nach Nord und nichts ist so bunt wie bei Nina Hagen im Lied, das damals die deutsche Welle beflügelte.

Es sieht alles gleich aus, vor wie hinter der Mauer, und ein indischer Flüchtling und seine kleine Tochter betteln der Autokolonne entlang. Der US-Grenzwächter fuchtelt mit den Händen und scheint schlecht gelaunt, aber wir dürfen rein nach Trumpistan. Die Straßen in Kalifornien sind beinahe so schlecht wie die auf der Baja Halbinsel. Wo man hinschaut, arbeiten Lateinamerikaner, allen voran Mexikaner. Wer in den USA etwas prompt und gut erarbeitet möchte, stellt lieber einen Mexikaner ein. Die Amerikaner campieren lieber im Wald in Oregon. Dort, wo nahe meinem Haus gerade ein Obdachlosenlager geräumt wurde. Die Konsumgesellschaft spuckt ihre Opfer aus, und die Zahl der Obdachlosen steigt von Jahr zu Jahr. Wer einmal die Lager in Oregon gesehen hat, verliert jegliches Mitgefühl für die Leute. Die von den Republikanern unter Trumpler so verpönten Mexikaner findet man dort nicht. Diese sind zu beschäftigt mit Arbeiten. Im Wald, unter ihrem eigenen Müll begraben, findet man vorwiegend weiße Amerikaner. Herrenmenschen, die dem Druck der Globalisierung nicht standhalten. Drogenopfer, Veteranen mit Post-Traumatic Stress Disorder (PTSD), Opfer sexueller gewallt, Alkoholiker und Leute, die keinen Bock auf Arbeit haben. Die Blue States versinken in den von den roten Staaten verdrängten Verlierern der Gesellschaft und wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen.
In Kalifornien bei Mount Shasta campieren wir eine Nacht im Staatswald. Eine junge Mutter mit ihren drei Kindern lebt im Auto und hat ein Zelt aufgestellt. Trump will mehr Kinder, aber nicht solche. Überall hat es alte Camps, wo verlassene Zelte, Schlafsäcke und Müll herumliegen. Die gemeinnützigen Gesellschaften geben Campingmaterial aus. Die Obdachlosen holen sich das ab und lassen es nach einiger Zeit liegen, holen dann wieder neues. Es ist eine Obdachlosen-Wegwerfgesellschaft, die unsere Naturräume zumüllt.
Wir fahren durch Kalifornien. Nach den zersiedelten Wüstengebieten bei Palm Springs und der ewig wuchernden ökologischen Katastrophe von greater LA, hinter Santa Barbara, sehen wir plötzlich, wie schön Kalifornien sein kann. Kurz vor Santa Ynez liegt das Tal des Ynez Flusses, mit sanften , kalifornischen Eichen, blühenden Holunderbüschen und Wildblumen. Es ist jetzt Anfang Mai erstaunlich grün. Im Ort steht die schöne spanische Mission Santa Ines aus dem Jahre 1804. Die Chumash Indianer, die von den Patres bekehrt und versklavt wurden, haben heute, richtig, sie haben es erraten, ein Casino, wo die Leute, welche noch nicht im Wald leben, ihr Geld verspielen. Wenige Kilometer entfernt liegt Solvang, das dänische Touristendorf, das ausschaut wie eine Disney-Version von Dänemark. Ein gesättigter Wohlstand liegt in der Luft und dicke SUVs mit getönten Scheiben schieben sich über die Straße, gefahren von wohlhabenden Californians mit Golf T-Shirts und Wohlstandsbäuchen. Alles ist nett, sauber, blumig und fast zu schön, aber das Gefühl von satter Zufriedenheit löst sich dann weiter nördlich wieder auf, als wir die Entwicklergettos in Santa Maria durchqueren. „Wissen die Kalifornier, warum sie niemand im Westen mag?“, fragt Regula plötzlich. „Nein, sie schauen nie in den Spiegel“, antworte ich. Eigentlich haben wir schon wieder genug Californication gesehen, denke ich.
Die Spanier nannten Kalifornien nach einer der damals typischen Kitschnovellen über eine Insel California, welche von Amzonen besiedelt sei. Da sie glaubten, die Baja Halbinsel sei eine Insel, nannten sie diese Baja California, Niederkalifornien. Oberkalifornien nannten sie später Alta California, heute schlicht Kalifornien genannt. Schöne Frauen, Gold und Silber im Namen Gottes summieren die Leidenschaften der Spanier auf den Punkt. Die dort lebenden Indianerstämme wurden versklavt und dann von den Anglo-Amerikanern nahezu ausgerottet. Die Chumash, die Jungs mit dem Casino, hinterließen schöne Felsmalerei, die man in einer Höhle bei Santa Barbara sehen kann. Sie ist mit einem dicken Eisengitter gesichert, denn die fiese Jugend liebt nichts mehr, als ihre eigenen Kritzeleien auf antike Malereien zu kratzen. Wenn sie nicht gerade beschäftigt ist, mittels Spraydosen, wie die Hunde, ihr Territorium zu markieren.






In Los Osos, was heißt die Bären, liegt der schöne Küsten State Park, Montana de Oro. Wie gehabt. Die Spanier hatten eine Goldmacke, die sich im Namen zeigt. Braunbären, Grizzlys, Ursus arctos horribilis gibt es keine mehr in der Bärenrepublik Kalifornien oder wenn, dann nur noch auf der Fahne. Ein paar Schwarzbären halte sich noch in bergigen Gebieten auf, betreiben aber keine Casinos und haben daher kein Geld, mit dem sie die Politiker in Sacramento beeinflussen könnten. Der sogenannte grüne, linke, woke Staat Kalifornien ist erstaunlich redneckig, wenn man ihn sich genauer anschaut. Indianer leben am Rande, Grizzly gibt es keine, die Mexikaner arbeiten auf den Feldern und die Begüterten wohnen an schönen Küstenorten wie Carmel by the Sea, Santa Barbara, Santa Cruz, San Diego, oder Morro Bay. Westlich dem Pazifik zugeneigt liegt die ins Meer stürzende Steilküste von Big Sur, wo schlotternde Touristen Selfies machen und unweit davon, hinter den Küstenbergen im Osten, Ölfelder den Salinas Fluss verseuchen. Es ist ein kleiner Weg von Clint Eastwoods -Play Misty for me- zu John Steinbecks – Früchte des Zorns. Die Filme – There will be Blood- und -Chinatown, Wasser und Öl sind das Gold und Silber der Kalifornier von heute. Der kalifornische Redneck fährt kleinere Lastwagen – Pick Ups – als sein Nachbar in Oregon oder Nevada. Die Vorurteile und rechte Gesinnung sind dieselben. Da, wo der europäische Mann mit Minderwertigkeitskomplex auf Sportwagen mit einem Haufen PS baut, setzt der amerikanische Mann auf Diesel-Kleinlastwagen. Wer Mann ist, hat einen Truck, auch wenn dieser in keiner Hinsicht Sinn macht, weder ökonomisch noch ökologisch. Nachdem am frühen Morgen im Wald von Mount Shasta, die Obdachlosen noch ihren gerechten Schlaf schlafen, die Sonne erst langsam sich aus den Wolken im Osten schält, erklingt der Song von Joni Mitchel in meinem Kopf, als wir losfahren. Jonis schrille Stimme gibt keine Ruhe.
Oh California I'm coming home
Oh make me feel good rock 'n' roll band
I'm your biggest fan
California I'm coming home
All diese Kanadier in Amerika denke ich. Joni, Neil Young, Leonard Cohen, the Band… und nach dem Ort Weed, passend zur Gegend sehe ich ein Feld mit Lupinen, dahinter die schneebedeckte Kuppe von Mount Shasta. Es ist ein Postkartenbild, eine perfekte Naturszene, ein grandioser Anblick und Grund dafür, warum ich immer noch hier bin in diesem verflixten Land, diesem aus Raffern bestehenden, sich selbst überschätzenden Imperium von religiösen Kleingeistern, Extremisten und spiritueller Leere.




© Christian Heeb, Mai 2025
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